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„Großes Ermessen für Behörden“

Das grüne Gentechnik-Gesetz hat „kleine Makel“, räumt die Grüne Ulrike Höfken ein

taz: Nach jahrelangem Streit hat Deutschland endlich ein Gentechnik-Gesetz. Trotz Kritik stimmten die Grünen dem Entwurf von Bundesagrarminister Seehofer zu. Warum?

Ulrike Höfken: Weil das ein grünes Gesetz ist, das Seehofer eingebracht hat. Es schließt jene Lücken, die das bereits gültige Gentechnik-Gesetz lassen musste. Beide Gesetze stammen aus der Regierungszeit der Grünen.

Warum „mussten“ Lücken bleiben? Und welche?

Rot-Grün drohte seinerzeit an der Unions-Blockade im Bundesrat zu scheitern. Deshalb brachten wir zwei Gesetze auf den Weg. Das erste – bundesratszustimmungsfrei – regelt etwa die „gute fachliche Praxis“ und die Haftung: Wer Gentechnik aussäen will, muss für eventuelle Schäden aufkommen. Das jetzige Gentechnik-Gesetz soll die noch fehlenden Teile der EU-Freisetzungs-Richtlinie umsetzen – etwa die Kontrolle der Umweltfolgen und die Öffentlichkeitsbeteiligung. Diesmal wird das Gesetz dank der Mehrheiten in Bund und Ländern den Bundesrat passieren.

Und damit sind Sie zufrieden? Die Grünen kritisierten die im Paragrafen 28a festgelegte Informationspolitik als Verhinderungspolitik.

Stimmt, schon in unserem Entwurf war 28a nicht gut gelöst. Der jetzt beschlossene ist aber noch schlechter: Die Behörden haben einen großen Ermessungsspielraum, wenn es um die Frage geht, wann und wie Verbraucher über gentechnischen Anbau zu informieren sind. Deshalb haben wir letzte Woche einen Änderungsantrag eingebracht. SPD und CDU haben sich auch ein Stück bewegt.

Wohin?

Statt der ursprünglichen Informations-Kann-Bestimmung steht jetzt eine Informations-Soll-Bestimmung im Gesetz.

Sie fordern aber eine Informations-Muss-Vorschrift. Warum haben Sie dem Gesetz trotzdem zugestimmt?

Verglichen mit dem Gesamtgesetz ist 28a nur ein kleiner Makel: Kommt das Gesetz durch den Bundesrat, haben wir ein Regelwerk, das gentechnikfreie Produktion in Deutschland so weit wie möglich schützt. Das war immer unser Ziel.

Ausgerechnet die Union macht also grüne Politik?

Mitnichten. Um hohe Bußgelder der EU zu verhindern, hat sich die Regierung jetzt grüner Vorarbeiten bedient und so die EU-Freisetzungs-Richtlinie umgesetzt. Die Union und Bundesagrarminister Horst Seehofer haben aber sofort angekündigt, dass sie das Gesetz demnächst so ändern wollen, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen forciert werden kann. Diese wirklich schmutzigen Ansätze der Union müssen wir kenntlich machen.

INTERVIEW: NICK REIMER

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