: Thomas Meinecke: Mann sein tun
Ich lasse mich gern als Feministen bezeichnen. Nach dem weitgehenden Niedergang der Linken erkenne ich im Feminismus das universelle Potenzial, das die Linke verspielt beziehungsweise verloren hat. Warum sollte jetzt nicht das sogenannte „Geschlecht“ die Rolle dessen übernehmen, was mal als Standpunkt namens „Klasse“ produktiv gemacht werden konnte? Die Rollenverteilung und -erfüllung in meinem Privatleben lässt sich auf jeden Fall noch verbessern. Sämtliche Widersprüche werden sich auch nicht auflösen lassen, da zwischen den verabredeten, ausgehandelten sozialen Geschlechtern stets hierarchische Spannungen bestehen werden. Dennoch hat mir die Lektüre zahlreicher, der feministischen Dekonstruktion verschriebenen Texte Aufschluss darüber gegeben, weshalb wir handeln, wie wir handeln. Mit anderen Worten: Wie ich kein Mann „bin“, sondern einen Mann „sein tue“ (doing gender, würde man im Englischen sagen). Und damit ist auch die Chance gegeben, dies produktiv überschreiben respektive progressiv überschreiten zu können. Bei der Gleichberechtigung angekommen sind wir noch lange nicht. Frauen verdienen für die gleiche Arbeit rund ein Viertel weniger als Männer. Und, um es mit Luise Pusch zu sagen, „Alle Menschen werden Schwestern“ klingt bei weitem noch nicht so selbstverständlich wie das „Alle Menschen werden Brüder“ in Schillers Revolutionslyrik. Überhaupt: Wie alles Übel ist auch aller Segen sprachlichen Ursprungs. Also hänge ich dem Prinzip sogenannter politisch-korrekter Sprachjustierungen an. Thomas Meinecke, 54, ist Autor, DJ und Sänger der Band F.S.K.
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