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kommentarWir Vogelgrippenwellenreiter

Die Vogelgrippe ist kein Spaß. Sondern ein Geschäft.

Im Internet, wo der Irrsinn seit jeher die schillerndsten Blüten treibt, werden 20 Tamiflu-Kapseln schon für umgerechnet rund 286 Euro angeboten – also zum fast Fünffachen dessen, was in Apotheken für die rezeptpflichtigen Tabletten verlangt wird. Das ist gut so, denn der Impfstoff ist knapp und unsere Gesundheit ein wertvolles Gut. Daher auch unser gesteigertes Interesse für Atemschutzmasken, Sicherheitsschuhe, Desinfektionsmittel und -matten für den Hausgebrauch.

Unverantwortlich – wenn nicht gar selbstmörderisch – handelt, wer sich jetzt noch ohne Komplettset inklusive Schutzbrille, Atemmaske, Overall und Handschuhen ins Freie begibt. Desinfektionsmittel gibt es gleich im 12,5-Liter-Kanister, und eigentlich sollte die ganze Familie jeden Abend drin baden.

Zur Abwehr der gefiederten Killer gibt’s sogar ein elektronisches Gerät, das den Ruf von Raubvögeln imitiert und damit infizierte Zugvögel vervogelscheuchen soll. Auch sinnvoll, denn: Wer will schon, wenn Europa erst einmal einer pandemischen Entvölkerung anheim gefallen sein wird, mit der Schuld durch die Post-Vogelgrippen-„Mad Max“-Welt stolpern, er habe seine Familie leichtsinnig ins offene Virenmesser laufen lassen? Wo uns doch inzwischen schon die „Tagesthemen“ mit dem Verve eines Homeshopping-Senders einreden, wir müssten uns fürchten oder wenigstens für das Schicksal einer verschnupften Hausente auf Rügen interessieren?

Acrylamid, Terrorismus, Feinstaub oder Fasching sind keine Gefahren – sondern nur die Hebel, mit denen eine modern-gelangweilte Gesellschaft den jeweiligen Grad ihrer Erregung reguliert, worüber auch immer. Schreibt Peter Sloterdijk. Aber der hat bekanntlich keine Vogelgrippe, nur einen Vogel. FRA

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