: Chic mit Kitsuné
MODE & POP Taktgeber der französischen Musikszene und Pariser Flagshipstore: Kitsuné aus Paris ist Plattenfirma und Modelabel zugleich
■ Der Look: Sportswear und klassischer Casual, gedeckte Farben, aber auch Pastell, elegante Texturen (Baumwolle, Lambswool), V-Ausschnitt-Pullover, Kapuzensweatshirts ohne Schnickschnack, klassische Formen und Modelle
■ Der Sound: House meets Indierock in einem legeren Pariser Stil, „glo-fi“ genannt. Auch in der Musik Anglophilie, die New Yorker Discopunks Holy Ghost, das irische Trio Two Door Cinema Club, mit der französischen Clubtradition verschnitten
VON TIM CASPAR BOEHME
Musik und Mode gehörten seit der Erfindung von Jugendlichen als eigenständiger Konsumentengruppe untrennbar zusammen. Musikvorlieben dienten als Ausdruck einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit, wie jahrzehntelang durch Kleidungsstil und passende Plattensammlung demonstriert wurde. Zumindest bis vor kurzem. Heutzutage durchmischen sich Musikstile und ihre Hörer immer stärker, klare Grenzen kommen nur noch in Ausnahmefällen vor. Mods, Punks oder HipHopper – Identifikationsstrategien dieser Art wirken mittlerweile hoffnungslos nostalgisch, wie verzweifelte Versuche, sich eine Identität nach Schnittmuster zu verpassen.
Dass in dieser allgemeinen Auflösungsbewegung ein Pariser Label Erfolge feiert, bei dem Musik und Mode seit dem ersten Tag aus einer Hand gemacht werden, könnte wie ein Anachronismus wirken. Doch bei Kitsuné werden keine Hemden für Hörergruppen maßgeschneidert. Man sucht auch nicht nach dem Soundtrack zur eigenen Linie. Als sich Gildas Loaëc und Masaya Kuroki, die beiden Chefs von Kitsuné, in Loaëcs Plattenladen hinter der Rue de Rivoli kennen lernten, war schnell klar, dass sie einfach eine gemeinsame Liebe für Kleidung und Musik hatten. Aus dieser Leidenschaft wurde im Jahr 2002 ein Name. Heute gehört Kitsuné zu den Taktgebern der französischen Musikszene, der Pariser Flagshipstore für die aktuellen Modekollektionen steht im ersten Arrondissement nahe dem Palais Royal.
„Es war schwierig, den Leuten zu erklären, dass man tatsächlich beides machen kann“, beschreibt Loaëc ihre Anfänge. „Doch nach acht Jahren Arbeit bekommen wir hohe Anerkennung in der Musikwelt und immer mehr in der Modewelt.“ Mit Platten von Bands wie Digitalism, Hot Chip oder La Roux hat sich Kitsuné, der Labelname ist von dem japanischen Wort für „Rotfuchs“ abgeleitet, als Adresse für hybride Pop-Entwürfe empfohlen.
Bekannt ist das Label vor allem für seine Compilation-Reihe „Kitsuné Maison“. Hier werden haufenweise neue Bands vorgestellt, eingeführte Namen wie das amerikanische Elektroclash-Duo Fischerspooner kommen auch hin und wieder vor. Auf der achten Maison-Ausgabe dominiert Pop im Zwischenreich von Independent und Disco. Namen wie Delphic, Two Door Cinema Club oder Heartsrevolution stehen für retrofuturistische Mischformen aus Gitarren und Computern, bei denen gutes Songwriting mit Ohrwurm-Refrains nicht fehlen darf. Dass diese Bands sogar ein modebewusstes Publikum ansprechen, ließ sich bei der Berliner Kitsuné Maison Night letzten Herbst am eigenen Leibe erfahren. Ganze Hundertschaften von Hipstern waren aufmarschiert, um die Empfehlungen des Pariser Hauses zu begutachten. Man war mit dem Angebot zufrieden, die Indie-Disco-Band Delphic aus England wusste zu begeistern.
Loaëc, bei Kitsuné für die Musik zuständig, war vor der Gründung des Labels über zehn Jahre Manager für Daft Punk, Aushängeschild des „French Touch“ genannten aufgekratzten House-Stils, mit dem das Duo zur internationalen Marke wurde. Seine Kontakte zur Musikindustrie nutzte er für den Aufbau von Kitsuné. Und Kuroki, der die Modelinie betreut, brachte die Design-Erfahrung mit: Er hatte vorher beim Star-Architekten Jean Nouvel Entwürfe gezeichnet. Kurokis Linien haben etwas Klassisches, orientieren sich an College-Uniformen oder Polo-Kleidung, mit deren Formsprache er ironisch spielt. Die limitierten und eher teuren Editionen werden in Europa hergestellt, Hemden in Italien geschneidert, Pullover in Schottland gestrickt. Wie passen Musik und Mode zusammen? Für Loaëc ist die Antwort eindeutig: „Wir versuchen Musik zu machen, die man auch in einem Jahr noch hören möchte. Wir wollen den Song finden, der bleibt. Und bei der Kleidung achten wir auf gute Qualität. Wir wollen klassische Dinge machen.“
In Zukunft soll es daher mehr Kontinuität bei der Zusammenarbeit mit den Bands geben, man will verstärkt Alben produzieren. Den Anfang macht das Debütalbum von Two Door Cinema Club, drei irischen Jungs mit feinem Gespür für kompakt gebaute Hymnen, in denen sich Indie, Elektronik und afrikanische Einflüsse lässig ausbalancieren. Und mit „I Can Talk“ haben sie sogar einen Hit im Gepäck, der eine Weile bleiben könnte.
■ „Kitsuné Maison Compilation 8“ (Kitsuné), Two Door Cinema Club, „Tourist History“ (Kitsuné)
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