: Mangos machen Schule
SELBSTHILFE Ohne Betteln und Spenden: „Direkthilfe Burkina“ exportiert Früchte nach Deutschland und finanziert mit dem Gewinn den Bau von Klassenzimmern
VON ERIC SEGUEDA
Viele Bauern in Burkina Faso wissen nicht, was sie mit ihren Mangos tun sollen. „Während der Mangosaison gibt es davon so viele, dass man die Hälfte gar nicht verkaufen kann“, erzählt Bibi Sanou, Bauer in Béma, einem kleinen Dorf im Nordwesten Burkina Fasos. „Der Großteil der Mangos verfault“, bemängelt er. Sanou hat dieses Problem nicht mehr. Seit 2001 exportiert er seine Mangos nach Deutschland. Der Verein „Direkthilfe Burkina“ hilft ihm dabei.
Gemeinsam mit deutschen Freunden gründete Passam Tiendrebéogo den Verein „Direkthilfe Burkina“. Der in Burkina Faso geborene 49-Jährige ist selbstständiger Berater im Bauwesen mit Sitz in Tuningen. „Wenn ich nicht zur Schule gegangen wäre, wäre ich heute nicht so erfolgreich“, sagt der Bauingenieur. Da in Burkina Faso nicht jedes Kind zur Schule gehen kann, aber jedes diese Möglichkeit erhalten sollte, entschied sich Tiendrebéogo dafür, den Bau von Schulen in seiner Heimat zu unterstützen.
Die Philosophie von „Direkthilfe Burkina“ beruht auf dem Prinzip der Selbsthilfe. Der Verein ist also kein klassischer Bettelverein. Er sammelt keine Spenden, sondern finanziert sich über den Verkauf von Mangos. Den Menschen vor Ort möchte der Verein bewusst machen, dass sie durch ihre eigene Arbeit maßgeblich zur Entwicklung beitragen können.
Außer im Norden Burkina Fasos wachsen überall im Land Mangobäume. „Nach der Pflanzung muss man sich höchstens drei Jahre darum kümmern. Danach braucht der Baum keine Pflege mehr“, erklärt der Bauer Sanou. Laut dem landwirtschaftlichen Zentrum PAFASP werden im Land etwa 160.000 Tonnen Mangos jährlich produziert. Etwa 1.100 Tonnen davon werden exportiert.
Tiendrebéogos Verein kauft die Mangos direkt bei den Bauern und organisiert ihre Reise nach Deutschland, wo sie verkauft werden. „Dadurch haben die Bauern einen Partner, der einen fairen Preis für ihre Mangos zahlt, gleichzeitig fließt der Erlös aus den Verkäufen zurück in Entwicklungsprojekte“, erklärt Tiendrebéogo.
Mehr als 450 Milliarden Euro sind bislang im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit nach Afrika gegangen. Doch nach 50 Jahren sind die meisten Länder noch immer auf Hilfe angewiesen. Afrika gilt als Bettelkontinent, unfähig, sich aus der Armut zu befreien. Das Mango-Projekt ist ein Beispiel dafür, dass sich viele Afrikaner der eigenen Probleme, aber auch der eigenen Fähigkeiten immer bewusster werden.
Der Verein kauft die Mangos in Burkina Faso für 0,30 Euro pro Kilo, 30 Prozent über dem üblichen Marktpreis. In Deutschland wird das Kilo für 6,90 Euro wieder verkauft. Transportkosten und Steuern abgerechnet, erzielt der Verein einen Gewinn von 4,90 Euro pro Kilo. Zwischen März und Juli, Mangozeit in Burkina Faso, exportiert er 90 Tonnen nach Deutschland. Damit werden pro Jahr gut 40.000 Euro erzielt. Das reicht mindestens für eine Grundschule mit sechs Klassenzimmern in Burkina Faso.
In den vergangenen zwölf Jahren wurden aus den Verkaufserlösen sieben Grundschulen, einige mit Solarenergie ausgestattet, gebaut. 3.000 Kinder konnten eingeschult werden. „Das alles wurde durch den Mangoverkauf finanziert. Es gibt zwar Menschen, die uns freiwillig dafür spenden, aber wir sind nicht auf die Spendenbereitschaft anderer Leute angewiesen“, sagt Tiendrebéogo. Manche Kunden zahlen mehr als den normalen Preis, um das Projekt zu unterstützen, wie Katharina Schipulle aus Regensburg. Die junge Frau war selbst in Burkina Faso und ist von der Initiative überzeugt. „Das sind engagierte Leute. Sie betteln nicht um Geld.“
Das Projekt läuft so erfolgreich, dass sich vor drei Jahren ein kamerunischer und ein beninischer Verein der „Direkthilfe Burkina“ anschlossen. Gilbert Kana wollte in seiner Heimat Bakoko, im Westen Kameruns, eine Schule bauen. Er gründete den Verein Westkam in Reutlingen und fing an, Spenden zu sammeln. Innerhalb eines Jahres bekam er nur 500 Euro zusammen. Für die zwei geplanten Klassenzimmer brauchte er aber mindestens 4.000 Euro.
„Ich habe Tiendrebéogo kennen gelernt und er hat mich überzeugt, dass es mit dem Verkauf von Mangos schneller gehen wird“, so der 50-jährige Kameruner. Innerhalb von zwei Jahren hatte er genügend Geld, um die Klassenzimmer einzurichten. „Mit Spendengeldern, hätte ich acht Jahre gebraucht, um das Projekt starten zu können“, so Kana.
Über den Bau der Schulen hinaus ermöglicht die Initiative eine Änderung der Mentalität der Menschen an der Basis. „Man spricht von Hilfe, Hilfe! Das ist nicht das, was wir eigentlich wollen. Wir möchten lieber mit unserer eigenen Arbeit etwas erreichen“, sagt Sanou, der Bauer in Béma. Er sei zufrieden, dass seine Mangoplantage bereits zum Bau vieler Schulen in Afrika beigetragen hat.
Die Initiative stößt auch in der Fachwelt auf positive Resonanz. „Die Vorstellung, dass ein paternalistischer Staat die Probleme der Menschen lösen kann, ist nicht mehr bei vielen Menschen im Kopf“, erklärt Michael Monnerjahn, Pressesprecher des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Initiativen, die Perspektiven anbieten und gewisse Strukturen schaffen, seien wichtig. „Überall, wo lokales Engagement möglich ist, besteht das Potenzial für wirtschaftliches Wachstum“, so Monnerjahn weiter.
Monnerjahn kritisiert jedoch, dass viele solche Initiativen langfristig keine größeren Unternehmen anstreben. „Wichtig ist die Einbindung in größere Strukturen, damit nicht zu viel von einer kleinen Gruppe von Produzenten und Abnehmern abhängig ist.“ Das kenianische Unternehmen „Kevian Kenya“ sei ein gutes Beispiel, wie aus kleinen Anfängen größere Strukturen entstehen können. Es bezieht von Kleinbauern Früchte aus der Region, um daraus Säfte herzustellen. „Kevian Kenya“ verarbeitet fast die Hälfte der Fruchtproduktion des Landes und bedient als wichtigstes Unternehmen die gestiegene Nachfrage nach Mineralwasser und Säften in Kenia. Mit größeren Strukturen könnte auch „Direkthilfe Burkina“ mehr verkaufen und weitere Entwicklungsprojekte durchführen.
Der Verein kann diese Kritik nachvollziehen, denn größere Strukturen könnten noch mehr Projekte ermöglichen. „Direkthilfe Burkina“ überlegt deshalb, künftig eine eigene Verarbeitungsindustrie einzurichten. „Wir wollen aber kein Unternehmen werden, sondern unsere Gemeinnützigkeit behalten und die Erlöse weiterhin in Entwicklungsprojekte investieren“, sagt Tiendrebéogo. Im Moment sei jedoch der Bau von Schulen und Ausbildungszentren wichtiger, in denen die jungen Menschen ausgebildet werden. Denn sie sind die Zukunft des Landes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen