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Nur raus aus der Schmuddelecke

IMAGEPFLEGE Nach dem Feuertod zweier rumänischer Werkvertragsarbeiter versucht die Meyer-Werft, mit einer Sozialcharta ihren Ruf zu retten. Unterkünfte werden zertifiziert

Der Brand und die Folgen

Am Samstag vor zwei Wochen brannte aus ungeklärter Ursache eine Unterkunft in Papenburg ab.

■ Zwei Rumänen verbrannten. Sie hatten über einen Werksvertrag bei der Meyer-Werft gearbeitet.

■ In der Folge hagelte es Vorwürfe vor allem gegen den Emdener Personalanbieter SDS, bei dem die Männer unter Vertrag standen. Sie sollen zusammengepfercht untergebracht und um den ihnen zustehenden Lohn betrogen, sowie nicht angemessen versichert worden sein.

■ Die Firma SDS hat bislang alle erhobenen Vorwürfe bestritten.

VON MARCO CARINI

Um aus der Schmuddelecke rauszukommen, in die das Unternehmen nach dem tödlichen Brand in einer Unterkunft für Werkvertragsarbeiter gelandet ist, geht die Papenburger Meyer-Werft jetzt in die Offensive. „Wir wollen nicht in eine Ecke gedrängt werden, in die wir nicht gehören“, sagt – nein fleht – Werft-Chef Bernhard Meyer.

Am Montagabend präsentierte die Werft erste Eckpunkte einer Sozialcharta, die Mindeststandards für die Wohn- und Arbeitsbedingungen der bei Meyer arbeitenden Externen sichern soll. Die Selbstverpflichtung wurde nach einem Gespräch zwischen Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der Werftleitung und Gewerkschaftsvertretern in Hannover vorgestellt.

Die Charta wendet sich gegen Lohndumping, Diskriminierung und Kinderarbeit. Sie soll den Gesundheitsschutz stärken und einen Mindestlohn von 8,50 Euro garantieren. Meyer erklärte, das Papier solle helfen, „schwarze Schafe“ bei den Werkvertragsunternehmen auszuschließen, bei denen die Werft Leistungen und damit Arbeitsstunden im großen Maßstab einkauft. Bei jedem neuen Vertrag diene die Charta als Grundlage, bei Altverträgen soll nachverhandelt werden.

Die niedersächsischen Grünen erklärten, die Charta sei genau wie die Zertifizierung von Wohnunterkünften längst überfällig. Künftig sollen die Unterkünfte für Leih- und Werkvertragsarbeiter geprüft werden. Die Papenburger Bauaufsicht hat am Montag bereits vier Unterkünfte besichtigt und deren Inhaber auf die Anforderungen hingewiesen, die greifen sollen, sobald die Zertifizierung gilt.

Für die SPD-Fraktion ist die Charta „ein wichtiger“, für die Grünen „nur ein erster Schritt“, die Situation der Arbeiter zu verbessern: „Wir brauchen eine Meldepflicht für Werkvertrags-Arbeiter und wir müssen die Bedingungen kontrollieren, unter denen sie arbeiten und wohnen“, verlangt die Vize-Fraktionschefin der niedersächsischen Grünen, Meta Janssen-Kucz.

Diese Aufgabe soll zumindest teilweise eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Wirtschaftsministeriums zum Thema „Missbrauch von Werkverträgen“ übernehmen. Ihre Einrichtung beschloss die niedersächsische Landesregierung am Dienstag. Berichten über die skandalöse Unterbringung ausländischer Werkarbeiter werde die Arbeitsgruppe ebenso nachgehen, wie den Hinweisen, nach denen „diesen Frauen und Männern grundsätzliche Dinge, etwa die medizinische Versorgung oder Möglichkeiten zur Integration, vorenthalten werden“. Auf dieser Basis solle die Arbeitsgruppe schließlich Handlungsempfehlungen entwickeln.

Die IG Metall lobt unterdessen die Charta und will nun noch tarifvertragliche Strukturen aushandeln. IG Metall-Bezirkschef Meinhard Geiken macht jedoch im selben Atemzug deutlich, dass Werkverträge ein wachsendes Problem seien. Weder die Gewerkschaften noch die Betriebsräte hätten einen Hebel in der Hand, an deren Gestaltung mitzuwirken.

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