: Amtshilfe vom Diktator
Eine dubiose Delegation aus Guinea soll überprüfen, ob Flüchtlinge in NRW aus ihrem Land sind – und somit abgeschoben werden können. Heute protestieren die Flüchtlinge gegen Massenverhöre
VON NATALIE WIESMANN
Flüchtlingen aus Guinea drohen in NRW Massenverhöre: In zwei Wochen rückt eine Delegation aus dem diktatorischen Staat an, um 350 vermeintliche oder echte guineische Flüchtlinge auf ihre Staatsangehörigkeit zu überprüfen. Die Einladung der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) in Dortmund löst Proteste aus: Heute demonstrieren die guineische Flüchtlingsorganisation ARP (Verein für Entwicklung und Fortschritt in Guinea) mit deutschen UnterstützerInnen gegen den Besuch aus Afrika. Eine ähnliche Aktion in Hamburg hatte im vergangenen Jahr heftige Kritik heraufbeschworen.
Die vierköpfige Delegation soll ab dem 20. März zwei Wochen lang Landsleute identifizieren und ihnen Ausweispapiere aushändigen – weil sie ohne diese nicht abgeschoben werden dürfen. „Es handelt sich da um eine mafiöse Gruppe aus dem guineischen Innenministerium“ sagt ARP-Sprecher Mamadou Sow. In dem armen Land, aus dem auch er geflüchtet ist, herrsche seit Jahrzehnten ein Diktator nach dem anderen. „Die Abgeschobenen werden bei ihrer Ankunft am Flughafen sofort verhaftet“, sagt er. „Wie kann ein demokratisches Land wie Deutschland das in Kauf nehmen?“ Normalerweise sei es außerdem Sache der Botschaft, Papiere auszustellen, so Sow. Bei der Hamburger Aktion habe sich die Botschaft in Berlin von den Massenverhören distanziert.
Die Botschaft müsse für eine solche Einladung nicht gefragt werden, setzt ZAB-Leiter Friedhelm Weller dagegen. „Der Besuch ist mit dem Auswärtigen Amt sowie mit dem Bundes- und Landesinnenministerium abgesprochen.“ Die Frage der Menschenrechtslage in Guinea spiele keine Rolle. „Es gibt viele Diktaturen auf der Welt“, so Weller. Guinea stünde nicht auf der Liste der Länder, in die nicht abgeschoben werden darf. „Außerdem pflegen wir diplomatische Kontakte zu dem Land.“
In Deutschland werden nur ein Prozent der Asylsuchenden aus Guinea anerkannt. Die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund ist auf die Abschiebung von Asylsuchenden aus Guinea spezialisiert. Deshalb werden sich Ende März nicht nur Flüchtlinge aus NRW den Fragen der Delegation unterziehen müssen. Unter den Überprüften ohne Pass sind auch viele aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Dass solche Delegationen eingeladen werden, sei nicht ungewöhnlich, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des Landesinnenministeriums. „Die Länder müssen laut Aufenthaltsrecht überprüfen, ob die Menschen auch wirklich ihre Staatsangehörigen sind.“ Ob das von den diplomatischen Vertretungen in Deutschland oder von extra dafür Gesandten aus dem Land betrieben würde, spiele keine Rolle. „Wir vertrauen dem Auswärtige Amt, dass es die Seriosität der Delegation überprüft.“ Genauso könne auch nur das Auswärtige Amt festlegen, ob in ein Land abgeschoben werden darf. „Natürlich haben wir als Land ein Interesse daran, dass die Identität überprüft wird.“ Die Flüchtlinge könnten nicht jahrzehntelang in Unsicherheit leben.
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