KOMMENTAR VON SIMONE SCHMOLLACK: Abgeschoben ins Private
Dass Kristina Schröder Familien bei der Pflege von Angehörigen stärker unterstützen will, ist richtig. Denn unsere Gesellschaft altert rapide und braucht deshalb mehr Generationensolidarität. Die Frage, wer Menschen im Alter pflegt, wird dabei immer wichtiger. Doch das Modell der Familienministerin, über das sie zurzeit mit Pflege- und Wirtschaftsverbänden debattiert, ist zu kurz gedacht. Es geht am Alltag vieler Familien vorbei und verkennt die gesellschaftliche Realität.
Kristina Schröder schlägt vor, Arbeitnehmer sollten für zwei Jahre ihre Arbeitszeit reduzieren dürfen, um Verwandte zu pflegen. Doch Angehörige, die Verwandte pflegen, kümmern sich im Schnitt acht Jahre lang um sie. Die Ministerin will die Pflege zu Hause erleichtern – aber viele ältere Menschen können aufgrund bestimmter Krankheiten gar nicht zu Hause betreut werden, selbst wenn ihre Familien das vielleicht wollten. Die meisten pflegenden Angehörigen sind außerdem über 50, sie leisten physisch und psychisch Schwerstarbeit. Häufig werden sie danach selbst zum Pflegefall. Und es sind in der Regel die Frauen, die Verwandte pflegen. Eine Pflegeteilzeit stellt für sie ein Karrierehemmnis und einen Nachteil bei der Rente dar. Oft sind pflegende Angehörige zudem überfordert, weil sie für die Pflege nicht ausgebildet sind. Kurz: Pflege ist etwas für Profis.
Kristina Schröder möchte ein gesellschaftliches Problem durch mehr privaten Einsatz lösen. Besser aber wäre es, Heime und ambulante Pflegestationen, ja den gesamten Pflegebereich auszubauen und finanziell besser auszustatten. Alten- und Pflegeheime brauchen mehr Personal, das angemessen bezahlt wird und genügend Zeit zur Erholung bekommt. Stattdessen herrscht allerorts ein Pflegenotstand: Er hat dazu geführt, dass Patientinnen und Patienten in manchen Einrichtungen und von manchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schlecht behandelt wurden.
Ähnliches gilt für die ambulanten Pflegedienste: Für das „An- und Auskleiden im Zusammenhang mit dem Verlassen der Wohnung sowie Hilfe beim Treppensteigen“ können ambulante Pflegedienste rund 3 Euro abrechnen, für die „kleine Reinigung der Wohnung“ etwa 4 Euro. Das ist Pflege auf Sparflamme. Kristina Schröder will das eigentlich ändern, doch dazu reicht ihr Modell längst nicht aus.
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