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Den Haager Koalition verliert Mehrheit

Bei den niederländischen Kommunalwahlen sind Sozialdemokraten und Sozialisten die eindeutigen Gewinner. Die drei Regierungsparteien dagegen müssen Verluste hinnehmen. Auch die Rechtspopulisten werden von den Wählern abgestraft

VON KLARA ROSENBACH

Das erste Opfer der Kommunalwahlen in den Niederlanden gab es schon in der Nacht des Dienstags: Der Fraktionsvorsitzende der liberalen Koalitionspartei VVD, Jozias van Aartsen, trat nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Ergebnisse zurück. „Jemand muss die Verantwortung auf sich nehmen. Und das bin ich“, erklärte der Politiker.

Die VVD bildet mit der liberalen D66 und den Christdemokraten von Jan Peter Balkenende die Regierungskoalition in Den Haag. Nach den Kommunalwahlen am Dienstag fragt sich, wie lange noch. Die Koalition hat ihre Mehrheit im Land verloren.

Die Christdemokraten haben im Vergleich zu den letzten Kommunalwahlen vor vier Jahren über 4 Prozent verloren und sind mit 16,9 Prozent nur noch zweistärkste Kraft im Land. „Rechnet man die lokalen Parteien raus, liegen die Verluste bei 7 bis 10 Prozent“, sagt André Krouwel, Soziologe und Politologe an der Freien Universität Amsterdam. Auch die liberale VVD verlor und kam landesweit nur noch auf 13,8 Prozent.

Eindeutige Gewinner sind die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA) und die Sozialisten. Die PvdA gewann knapp 8 Prozent und liegt bei 23,4 Prozent. Die Sozialisten verdoppelten ihren Stimmenanteil auf 5,7 Prozent. Damit wäre eine Koalition linker Parteien mit den Grünen landesweit möglich.

„Die Wähler haben ein klares Signal nach Den Haag geschickt, dass es so nicht mehr weitergehen kann“, sagte der PvDA-Chef Michiel van Hulten. Premier Jan Peter Balkenende räumte die Niederlage ein, unterstrich aber das Durchhaltevermögen seiner Koalition: „Wir machen ein schweres Jahr durch und mussten unangenehme Maßnahmen durchsetzen. Jetzt werden die Erfolge unserer Arbeit kommen.“ Balkenende hofft, dass die Wähler 2007 bei den Parlamentswahlen die Arbeit seiner Regierung positiver bewerten als gegenwärtig.

Auch die lokalen Listen des verstorbenen Rechtspopulisten Pim Fortuyn mussten teils starke Verluste hinnehmen. In Rotterdam verloren sie ihre Mehrheit. In Eindhoven kamen sie nur auf 7 Prozent – 2002 waren es knapp 20 Prozent. Damals hatte Fortuyn mit ausländerfeindlichen Parolen in vielen Städten einen Überraschungssieg errungen.

Aber der Linksruck in den Niederlanden ist nicht wegzudiskutieren – und das landesweit. So gewann die PvdA in Amsterdam knapp 11 Prozent Stimmen hinzu. In Den Haag waren es 8 und in Rotterdam sogar 15 Prozent. Lokale Politik spielte kaum eine Rolle. Die wichtigsten Themen waren Arbeitslosigkeit, die Reform des Gesundheitswesens, Kinderbetreuung und Integrationspolitik. Nach einer Untersuchung des Instituts für ethnische Studien der Universität Amsterdam haben über 80 Prozent der wahlberechtigten Einwanderer für die Parteien links von der Mitte gestimmt. Vor allem in Amsterdam und Rotterdam, wo in einigen Stadtteilen der Ausländeranteil über 70 Prozent beträgt, haben diese Stimmen zum Umschwung beigetragen.

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