: Serbischer Notenbankchef reicht seinen Rücktritt ein
GELDPOLITIK Experten rechnen mit Rückgang der Devisenreserven und höherer Staatsverschuldung
BELGRAD taz | Ein heftiger Streit zwischen dem Notenbankchef Serbiens Radovan Jelačić und der Regierung über das serbische Krisenmodell schwelt bereits seit langem. Als Jelačić am Dienstag ohne Vorwarnung seinen Rücktritt bekannt gab, waren aber dennoch alle perplex. Seine Entscheidung habe rein „persönliche Gründe“, erklärte Jelačić.
Dass sein Rücktritt mit „persönlichen Gründen“ zu tun haben soll, nahm Jelačić niemand ab. Wirtschaftsexperten bezeichneten die Kündigung als eine „sehr schlechte Nachricht“. Jelačić war sechs Jahre lang auf diesem Posten und genoss enormes Ansehen in Serbien, aber auch bei internationalen Finanzinstitutionen. Er gilt als politisch völlig unbeeinflussbar und ließ an der Autonomie der Zentralbank nicht rütteln. Er wollte weder der Regierung noch einer starken Wirtschaftslobby von Importeuren nachgeben und seine strenge monetäre Politik lockern.
Nun wird befürchtet, dass sich ein neuer Zentralbankchef, der im Parlament gewählt wird, den Wünschen der Tycoone und der regierenden Politiker beugen könnte, die unter starkem sozialen Druck geraten sind und an die Devisenreserven herankommen wollen. Der serbische Dinar verbucht kontinuierlich Rekordtiefen und hat die psychologische Marke von 100 Dinar für einen Euro überschritten. Einkommen und Renten sind eingefroren. Der Lebensstandard in Serbien ist innerhalb eines Jahres um rund 30 Prozent gesunken. An den Euro gebundene Kredite werden kaum noch ausgezahlt. Die Staatskasse ist leer. 60.000 serbische Unternehmen sind insolvent und dadurch rund 1,3 Millionen Arbeitsplätze bedroht.
Jelačić lehnte es ab, die serbischen Devisenreserven (rund 9,5 Milliarden Euro) zu verbrauchen, um die Abwertung des Dinars künstlich aufzuhalten. Die Notenbank intervenierte nur, um zu starke tägliche Schwankungen zu verhindern. Dafür wurden seit Jahresbeginn über 600 Millionen Euro ausgegeben.
Er kritisierte auch das Krisenmodell der Regierung, die durch weitere Staatsverschuldung (die Außenschulden Serbiens betragen 21 Milliarden Euro), subventionierte Kredite sowie Gehalts- und Rentenerhöhungen die Wirtschaft ankurbeln möchte.
Jelačić setzte sich für ein striktes Sparmodell an, das auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschrieben ist. Der IWF hat mit Serbien Anfang 2009 ein Abkommen über 2,9 Milliarden Euro unterzeichnet, die Überweisung der Raten jedoch an die Durchführung der vereinbarten strikten Sparmaßnahmen geknüpft. Jelačić war einer der Garanten dafür. ANDREJ IVANJI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen