RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN: Falsch verbunden
Wie die Düsseldorfer CDU beweist, dass es bei Jürgen Rüttgers wirklich drunter und drüber geht
Der Kollege war so überrascht wie ich. Beide hatten wir versucht, mit Anfragen zur bevorstehenden Landtagswahl telefonisch zum Sprecher der nordrhein-westfälischen CDU vorzudringen. Beide erfuhren wir von der freundlichen Dame in der Zentrale, dass die Pressestelle gerade eine Besprechung habe. Beide hörten wir dann ein kurzes Knacken und ein langes Schweigen.
Ich wollte schon auflegen, als sich plötzlich doch noch jemand meldete. Ich dachte, es sei jemand von der CDU. Bis ich merkte, dass der andere von mir dasselbe dachte. In Ermangelung des Pressesprechers hatte die Dame von der Zentrale uns Journalisten zusammengeschaltet. Wir brachen erst in lautes Lachen aus und waren uns dann einig in dem Staunen, was heutzutage technisch alles möglich ist.
Wollten uns die Christdemokraten damit endgültig beweisen, dass bei ihnen wirklich alles drunter und drüber geht? Wo Telefone falsch verstöpselt werden, weiß der Landesvorsitzende auch von Sponsorenbriefen nichts? Oder wollten sie nur demonstrieren, was Journalismus aus ihrer Perspektive ist: ein ewiges Selbstgespräch der Medien, deren seriösere Vertreter die Einflüsterungen von Pressesprechern ohnehin ignorieren?
Auf dem folgenden Landesparteitag verlief die Recherche kaum ergiebiger. Nach seiner Sicht der Lage befragt, verbreitete selbst denkfähiges Spitzenpersonal platte Propaganda. Der neue Generalsekretär, der war doch wirklich gut, oder? Na ja, ein Zeichen von Stärke ist ein solcher Wechsel kurz vor der Wahl nicht gerade. Die Rüttgers-Rede, die war wirklich stark, oder? Hm, die neuesten Tiraden gegen die SPD wirken wenig souverän.
Journalismus in Wahlkampfzeiten ist ein schwieriges Geschäft. Alle Politiker wollen reden, auch solche, die sich sonst stets rar machen. Aber keiner will etwas sagen. Auch die Grünen nicht. Offen wie nie strebten sie in NRW nach dem Regieren mit der CDU, heißt es jetzt. Nun ja. Von einem Wunschbündnis hat man noch keinen von ihnen reden hören. Eher stöhnen selbst notorische Schwarz-Grüne gequält über die Probleme, die einer solchen Ehe noch im Wege stehen.
Vielleicht sollten sich Journalisten im Wahlkampf drauf verständigen, dass sie nur noch untereinander kommunizieren. Dann wären wir auf die Stöpselkünste der Düsseldorfer Telefonistin nicht mehr angewiesen.
■ Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz. Foto: Archiv
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