piwik no script img

WENN MENSCHEN IN ANDERE ROLLEN SCHLÜPFENDie Loser vom LARP

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Auf dem Rittergut Brokeloh in Landesbergen in Niedersachsen ging gerade der Conquest 2013, ein Live Action Role Playing (LARP), zu Ende. So ein Conquest ist ein großes Ereignis, es reisen zwischen 5.000 und 7.000 Menschen an, die alle in Zelten schlafen, sich Essen auf echtem Feuer kochen, mit Schwertern kämpfen und gar nicht sie selber sind, sondern Zwerge oder Söldner oder Seefahrer oder noch was anderes in einer Welt namens „Mythodea“.

In „Mythodea“ gibt es verschiedene Völker, wie zum Beispiel die Naldar, das Volk des Windes, oder Turans Volk oder die Lona Akata. Das alles weiß ich nur von der Webseite vom Veranstalter, es ist nicht einfach, jetzt mal eben kurz in die Welt „Mythodea“ einzusteigen. Man bereitet sich vor, man meldet sich an und dann fährt man da als jemand hin, der man gern sein möchte. Dazu verkleidet man sich, zieht seine Sneakers aus und steckt sein Handy weit weg oder stellt es wenigstens auf Vibrationsalarm, denn so etwas gibt es in „Mythodea“ nicht.

Da gibt es nur ausgedachte Sachen, die irgendwie auch ein bisschen mittelalterlich sind und ein bisschen wie in „Herr der Ringe“. Einen Mittelaltermarkt gibt es natürlich auch. Ich war schon ein paar mal auf einem Mittelaltermarkt, ich muss dort immer lachen, ich kriege richtige Lachkrämpfe auf Mittelaltermärkten. Aber das ist ja nichts Schlechtes an sich, wenn man lacht. Ich denke aber, ich würde für LARPs nicht taugen, weil ich da dann vermutlich auch Lachkrämpfe bekommen würde und die Voraussetzung für die Teilnahme an einem Spiel ist, dass man es ernst nimmt.

Dennoch interessiert es mich, weil mich Menschen im Allgemeinen interessieren und ich gerne wissen würde, was sie für eine Motivation haben und wie sich das anfühlt, eine Figur in einem Spiel zu sein. Glücklicherweise lernte ich eine LARP-Frau kennen und fragte sie aus und jetzt weiß ich doch einiges mehr über Menschen, die an einem LARP teilnehmen. Ich denke, ich habe eine ziemliche Arroganz gegenüber Leuten, die sich auf solche Spiele einlassen, weil ich mich selber kaum auf Spiele einlasse, weil ich mich nicht unterordnen kann und mein Wesen, so wie es ist, immer die Oberhand behalten will.

Besagte LARP-Spezialistin war schön und jung und witzig. Sie erzählte mir, dass sie alle ihre Kostüme selber nähen würde, dass man aber auch in allen Preislagen Kostüme kaufen könnte, was aber nicht so gut wäre, wie, wenn man sie selber nähte. Man würde dann von Anfang an richtig in eine Rolle hinein kommen und würde dann später auch so reden, wie es die Rolle notwendig machte. Manche Spieler würden auch ganz normal über andere Sachen reden, aber das wäre eigentlich verpönt, denn schließlich hätten ja alle den Aufwand betrieben, um in einer anderen Welt zu sein.

Ob man da auch rumknutschen täte oder Ähnliches, fragte ich sie. Ja, das käme wohl vor, sagte sie, sie würde auch öfter mal von anderen Spielern angemacht werden. In mittelalterlicher Sprache zum Beispiel. Und, fragte ich sie, ist da schon mal was gelaufen? Sie schüttelte heftig den Kopf. Nein, sagte sie, das nicht. Warum nicht, fragte ich sie. Na weißt du, sagte sie, das sind eben so Männer … Was für Männer, fragte ich. Na, so Männer, die zu LARPs gehen. Loser halt, sagte sie. Ah, sagte ich.

Wenn aber sie da hingeht, denke ich mir, dann steht fest, da ist doch wenigstens eine Person mit Humor, und vielleicht sind da noch ein paar mehr, vielleicht ist das Ganze ein großer Spaß, den ich zwar nicht haben kann, weil ich mich in Gruppen und mit Spielen nicht wohlfühle, aber es ist irgendwie was Niedliches daran. Es gibt eigentlich gar nichts dagegen zu sagen. Spielt und verkleidet euch, Kinder. Ich lache auch nicht.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen