WEISSRUSSLANDS DIKTATOR LUKASCHENKO MUSS PROTESTE NICHT FÜRCHTEN: Fest im Sattel
Es ist die Tragik autoritärer Regenten, dass sie glänzend inszenierte Siege nicht gebührend genießen können. Wenn Liebe und Zuneigung der Wähler um einige Bruchteile zu sinken drohen, brechen sie vorschnell in Panik aus. Darunter leidet auch Europas letzter Tyrann, Alexander Lukaschenko.
Der Weißrusse hätte es nicht nötig, Wahlen manipulieren, unliebsame Journalisten beseitigen und Oppositionelle einschüchtern zu lassen. Auch bei freien Wahlen wäre ihm der Triumph sicher gewesen. Denn die Hälfte der Wählerschaft steht hinter und zu ihrem „batuschka“, dem Väterchen. Das sind all jene, die am Tropf des Staates hängen: Militärs, Beamte, Rentner und die Landbevölkerung. In den Weiten Weißrussland tickten die Uhren auch schon zu Sowjetzeiten etwas langsamer.
Daran hat sich nichts geändert. Die Bemühungen der Opposition, dem Diktator trotz allem die Stirn zu bieten, sind daher mutig. Für eine Revolution aus eigener Kraft – nach den Vorbildern von Kiew und Tiflis – fehlen der Opposition indes Rückhalt, Know-how und eine tragfähige Infrastruktur. Sie kann von Erfolg sprechen, wenn es ihr gelingt, das Niveau des jetzigen Protestes zu halten.
Auch die EU wird der Demokratie nicht auf die Sprünge helfen. Von Sanktionen lassen sich Diktatoren wie Lukaschenko nicht schrecken, zumal er am wirksameren Hebel sitzt: der Gas-Pipeline aus Russland. Davor hat noch jeder EU-Demokrat kapituliert. Mehr Interesse an einem pflegeleichten Diktator hegt der Kreml. Wadenbeißer Lukaschenko steht beim russischen Wähler hoch im Kurs: Ihm traut man zu, umzusetzen, wovon der Kreml (noch) fabuliert: dem Westen Paroli zu bieten.
Gleichwohl könnte Alexander Lukaschenko in seiner Rolle als lupenreiner Autokrat langfristig doch noch demokratietreibende Kräfte freisetzen. Denn die Paranoia des Tyrannen entfremdet zunehmend auch jene, denen im geschlossenen System des Diktators lange recht wohl zumute war. Sie teilen seine Weltsicht, aber nicht dessen Devianz. Diese Kräfte laufen weder zur Opposition noch zur Demokratie über. Sie bewegen sich aber langsam auf ein Niemandsland zu. KLAUS-HELGE DONATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen