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Minister will die Hühnerställe leeren

NRW-Geflügelzüchter beklagen Verluste durch die Vogelgrippe. Landwirtschaftsminister Uhlenberg will nun ein befristetes Freilandverbot für Federvieh durchsetzen. Bauern aus Ostwestfalen: „EU soll unser Geflügel aufkaufen“

DUISBURG taz ■ Geflügelbauern aus Ostwestfalen-Lippe haben gestern in Duisburg Entschädigungen für ihre finanziellen Einbußen durch die Vogelgrippe gefordert. Vor dem Bildungszentrum für Entsorgungs- und Wasserwirtschaft (BEW) demonstrierten etwa 120 Geflügelzüchter mit LKW und Transparenten gegen die andauernde Stallpflicht und das Verbot von Geflügelmärkten. Anlass war ein wissenschaftliches Symposium unter dem Titel „Vogelgrippe: Erkennen, Vorbeugen, Bekämpfen“ mit NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg (CDU).

Uhlenberg äußerte Verständnis für die Geflügelbetriebe, die ihr Junggeflügel „unverschuldet“ nicht mehr absetzen könnten. Er kündigte Unterstützung für die Bauern an. „Die Ställe müssen jetzt geleert werden“, sagte der Minister und aktive Landwirt. „Das geht nur, indem die Tiere getötet und die Züchter entschädigt werden.“ Uhlenberg präsentierte deswegen einen 4-Punkte-Plan gegen die Vogelgrippe mit Vorschlägen für die EU-Agrarministerkonferenz. Das Geflügel soll mit EU- und Bundesmitteln aufgekauft und die Betriebe entlastet werden. „Berlin und Brüssel sind jetzt gefragt“, sagte Uhlenberg. Bislang gibt es nur Finanzhilfen, wenn die Vogelgrippe in einem Zuchtbetrieb ausbricht. Was bisher nur in Frankreich geschah.

Uhlenberg sprach sich zudem für ein befristetes Freilandverbot aus. Es genüge, wenn die Wildvögel zu Zeiten des Vogelzuges getestet würden. Tauche kein Erreger auf, dürfe das Nutzgeflügel wieder im Freien gehalten werden. Enten und Gänse sollten in H5N1-Gebieten vorsorglich geimpft werden, da sie sich nicht lange einsperren ließen, so Uhlenberg.

Die Geflügelbetriebe hoffen auf schnelle Hilfe. „Wir wollen, dass unsere Hühner aufgekauft werden“, sagten Tobias und Edmund Schulte aus Delbrück (Kreis Paderborn). Ihre Hühnerställe mit rund 60.000 Tieren seien zum Brechen voll. „Die Hühner drücken sich gegenseitig tot. Wir werden zur Tierquälerei gezwungen“, sagte Edmund Schulte. Die jungen Legehennen würden hauptsächlich an Privatleute verkauft. Nun seien die Tiere bereits zu alt dazu. „Wir verlieren mehrere tausend Euro pro Woche“, klagte auch Züchter Heiner Flüteotte aus Riedberg (Kreis Gütersloh). Viele der Familienbetriebe stünden kurz vor der Pleite. Die Geflügelbauern schätzten die Verluste allein für die rund 300 Betriebe in Ostwestfalen-Lippe auf bis zu 30 Millionen Euro. Bundesweit beträgt der Schaden laut Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) inzwischen 150 Millionen Euro.

Seehofer kündigte unterdessen an, er wolle erst nach Ostern über eine mögliche Verlängerung der seit Mitte Februar geltenden Stallpflicht entscheiden.

GESA SCHÖLGENS

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