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„So einen Zuchterfolg habe ich nie erwartet“

DER ZOODIREKTOR Die Arbeit mit Tieren ist für Bernhard Blaszkiewitz seit 40 Jahren Berufung. In Berlin führt er den artenreichsten Zoo der Welt. Doch nie zuvor war der Leiter eines Tierparks wegen seines Führungsstils derart umstritten und hat so viel Prügel bezogen. Spätestens nächstes Jahr muss der 59-Jährige seine Posten als Chef von Zoo und Tierpark räumen. Blaszkiewitz spricht von einer langjährigen Hatz gegen ihn

Bernhard Blaszkiewitz

■ Jugend: Bernhard Blaszkiewitz wird 1954 in Berlin geboren. Er wächst in Rudow in einem streng katholischen Elternhaus mit drei Brüdern auf. Am Canisius-Kolleg in Tiergarten macht er sein Abitur und studiert dann an der Freien Universität Biologie. Von 1974 bis 1978 arbeitet er im Zoo als Tierpflegevolontär.

■ Karriere: An der Universität in Kassel promoviert er zum Thema „Die Entwicklung des Säugetierbestands in Berliner Zoos. Von 1945 bis 1975“.

■ Er arbeitet als Volontärassistent im Zoo in Frankfurt am Main und wechselt später als Kurator an den Ruhr-Zoo Gelsenkirchen. Er wird Kurator im Berliner Zoo. 1991 steigt er zum Direktor des Tierparks auf, 2007 übernimmt er in Personalunion auch die Leitung des Zoos.

■ Kritik: Seit 2008 werden Blaszkiewitz wiederholt Vorwürfe wegen seines Führungsstils und seines Umgangs mit Tieren gemacht. Blaszkiewitz spricht von einer Verleumdungskampagne. Der Aufsichtsrat steht zu ihm, es fehlt an Belegen. Als der kaufmännische Vorstand Gabriele Thöne im Sommer 2013 das Handtuch wirft, entscheidet der Aufsichtsrat Anfang August, auch Blaszkiewitz’ Vertrag nicht zu verlängern. Der endet zwar erst am 30. Juni 2014, Verhandlungen über eine frühere Ablösung laufen aber. Ein Nachfolger wird bereits gesucht, die Stelle ist ausgeschrieben.

INTERVIEW PLUTONIA PLARRE FOTOS AMÉLIE LOSIER

taz: Herr Blaszkiewitz, Ihre Tage im Amt sind gezählt. Gehören Sie zu der Spezies „Zoodirektor der aussterbenden Art“?

Bernhard Blaszkiewitz: Das würde ich nicht sagen. Aber wir werden weniger, das ist leider richtig.

Wie würden Sie sich nennen?

Ich bin Tiergärtner alter Schule. Ein Zoo muss nach meinem Verständnis einen artenreichen Tierbestand haben. Halligalli hat da keinen Platz. Die Leute brauchen einen Ruhepol. Der Event –das Ereignis – ist das lebende Tier. Menschen, die sich allseitig bilden wollen, sollen in der Zoologie einen möglichst umfassenden Überblick über das Tierreich bekommen. Das ist übrigens ein Zitat von Professor Dathe …

dem früheren Leiter des Tierparks. Man musste ihn 1990 im Alter von 80 Jahren raustragen, weil er immer noch weitermachen wollte.

Das ist ja nun bei mir nicht mehr nötig.

Sie waren 22 Jahre Leiter des Tierparks, seit 2007 auch Chef des Zoos, in dem Sie vor 40 Jahren angefangen haben. Hätten Sie gern weitergemacht?

Bis 65 hätte ich schon gerne gemacht, ja. Ich hatte mir für die nächsten fünf Jahre noch viel vorgenommen. Der Zoo braucht zum Beispiel ein neues Nashornhaus. Ich akzeptiere die Entscheidung des Zoo-Aufsichtsrats, aber ich empfinde es als ungerecht und falsch. Noch vor einem Jahr waren die Pläne, die ich im Aufsichtsrat vorgestellt habe, gut. Jetzt sind sie es auf einmal nicht mehr.

Warum müssen Sie gehen?

Keine Ahnung, das müssen Sie den Aufsichtsrat fragen.

Jetzt machen Sie es sich aber zu einfach.

Sie wollen was ändern. Aber ich glaube nicht, dass es darum geht, in Zoo und Tierpark einen Lunapark oder ein Disneyland aufzubauen, solche Befürchtungen gibt es ja auch.

Worum geht es also?

Sie wollen eine andere Person, sonst würden sie mich nicht auswechseln.

Der Tierpark erhält jährlich 6,2 Millionen Euro an Zuschüssen aus Landesmitteln. Grüne und CDU haben Vorschläge entwickelt, wie die Einnahmen verbessert werden könnten. Finanzsenator Ulrich Nußbaumfordert, dass der Tierpark die Besucherzahl auf zwei Millionen im Jahr verdoppelt. Was ist an der Behauptung dran, Sie würden alle Pläne zur Weiterentwicklung des Tierparks torpedieren?

Das ist völliger Quatsch. All diese Plänchen werden das Problem des Besucheraufkommens nicht lösen. Dazu müsste der Tierpark in der Innenstadt liegen. Wenn wir im Tierpark ein Menschenaffenhaus bauen und ein Südasienhaus, für die Orang-Utans – was mein Plan war –, könnte man damit aber schon bis zu 300.000 Besucher mehr generieren. Ich würde empfehlen, es nicht immer als Belastung, sondern als Bereicherung anzusehen, dass wir zwei Tiergärten in der Stadt haben. Im Übrigen hat der Tierpark 1996 noch das Doppelte an Zuwendungen bekommen. Daran kann man sehen, wie gut wir gewirtschaftet haben.

Ihre Kritiker sprechen Ihnen jeglichen Sinn für Markting ab. Ein Beispiel: Der frühere kaufmännische Zoo-Vorstand wollte den Eisbären Knut weitergehend vermarkten. Sie hätten das verhindert, heißt es.

Das ist etwas vereinfacht dargestellt. Marketing ist immer vertretbar. Es darf nur nicht das Oberste sein in einem Zoo. Und es muss mit der Würde des Tieres vereinbar sein. Wir verkaufen keine Postkarten, auf denen Schimpansen eine Sonnenbrille aufhaben, oder Knut im Babystrampler. Solche Dinge finde ich nicht richtig, weil sie ein falsches Bild vom Tier vermitteln. Mein Standpunkt ist: Zoos sind eine kulturelle Aufgabe, für wie bei Schwimmbädern und Schulen Steuergelder bereitgestellt werden müssen.

Folgt man den Medienberichten, haben Sie gute Chancen, als autoritärer Grobian in die Geschichte des Berliner Zoos einzugehen.

Ich möchte Ihren Berufsstand nicht angreifen. Aber wenn man einem ans Leder will, schreibt man ihn schlecht. Only bad news are good news. Sie müssen nur mal unter „Blaszkiewitz“ googeln. Die ganze Hatz auf mich hat 2008 angefangen.

Wie erklären Sie sich das?

Ich bringe das in Verbindung mit einer Person, die gerne Zoodirektor geworden wäre. Diese Person hat sich nach dem Ausscheiden aus dem Zoo mit einer Journalistin zusammengetan und angefangen, Geschichten über mich zu verbreiten. Hat sich erst mal ein falsches Bild etabliert, schreibt es jeder ab. Ich konnte alles wegstecken, all die Jahre, solange der Aufsichtsrat zu mir gehalten hat. Das hat sich nun geändert. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Sie selbst haben sich gar nichts vorzuwerfen?

Nein. Die Vorwürfe treffen mich auch nicht, weil sie nicht stimmen. Das sind alles Leute, die von Tieren keine Ahnung haben und von Tierhaltung schon gar nicht. Aber jeder in Deutschland kann besser als der Amtsinhaber Fußball-Bundestrainer sein und Zoodirektor. Diese Lektion habe ich gelernt.

Die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling, Ihre schärfste Kritikerin, hat diverse Strafanzeigen gegen Sie erstattet.

Frau Hämmerling hat mich mindestens 15 Mal angezeigt. Alle Verfahren sind eingestellt worden. Das ging bis zu der Behauptung, ich hätte einer Harpyie eine lebende Katze in den Käfig geschmissen …

einer was?

Einem Adler. Und ich hätte mich daran geweidet, wie der die Katze aufgefressen hat. Alles gelogen. In der Strafanzeige steht natürlich nicht, wer das sagt, sondern nur, die Staatsanwaltschaft soll das mal überprüfen.

Der Aufsichtsrat hat eine Anwaltskanzlei mit einer anoymen Mitarbeiterbefragung zu Ihrem Führungsstil beauftragt.

Das hat mir auch sehr gefallen.

Kennen Sie die Ergebnisse?

Nein. Ich habe aber gehört, nichts davon sei rechtsfähig, alles vom Hörensagen, demzufolge blabla. Die Kanzlei hat mich auch vier Stunden befragt. Ich hätte das nicht machen müssen. Deshalb ist mir bekannt, was Mitarbeiter zur Sprache gebracht haben. Ich kann mich an jedes Ereignis erinnern.

Was haben Sie erwidert?

Wenn die Unwahrheit behauptet wurde, habe ich die Wahrheit gesagt. Viele Sachen sind einfach entstellt und falsch wiedergegeben worden. Das Einzige, was mich wirklich aufregt, ist, dass man mir mangelnde soziale Kompetenz vorwirft. Und wenn meine Konfession zum Anlass genommen wird, mir mit Ressentiments zu begegnen.

Sie gehören dem Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem an.

Ich war acht Jahre Leiter der Berliner Komturei. Aber das ist ein Nebenprodukt. Ich bin katholisch und ich bin eben bekennend katholisch. Ich gehe damit nicht hausieren, aber ich halte mit meinem Glauben auch nicht hinter dem Berg.

Was für Reaktionen haben Sie wegen Ihres Glaubens erlebt?

„Nun ist er auch noch katholisch“ und ähnliche Sprüche.

Was waren für Sie die Höhepunkte in Ihrem Berufsleben?

Das Eintreffen der Seekühe 1994 im Tierpark. Dass es gelungen ist, für sechs Monate die Koalabären vom Zoo in San Diego auszuleihen. Die Geburt von 16 Elefanten seit 1998 im Tierpark. So einen Zuchterfolg habe ich nie erwartet. Die Nashornzucht ist auch sehr wichtig. Ich bin ja ein großer Nashornfreund. Neue Anlagen habe ich auch sehr gern eröffnet. Die Alfred-Brehm-Halle werde ich hoffentlich auch noch eröffnen. Was mich besonders freut: Bei keiner einzigen Eröffnung hat es geregnet, obwohl es kurz zuvor manchmal gegossen hat.

Wie deuten Sie das?

Das sind schon bestimmte Beziehungen, aber die darf man nicht für kommerzielle Sachen ausnutzen.

Zum Herrgott, oder was?

Klar, zu wem sonst? Der macht ’s Wetter.

Sind Sie ein Kreationist?

Das ist ein negativ besetzer Begriff. Natürlich glaube ich daran, dass der Herrgott alles geschöpft hat, na logisch.

Wie vereinbart der Naturwissenschaftler in Ihnen das mit der Evolutionstheorie?

Das ist kein Widerspruch. Dass es eine Evolution gegeben hat, ist eine Tatsache. Wie das Leben entstanden ist, ist eine Theorie.

Alles fing mit dem Urknall an.

Das ist möglich, aber nicht erwiesen. Als gläubiger Mensch ist es für mich völlig egal, wie der Herrgott das gemacht hat. Er hat alles geschaffen, wie wir glauben, also auch die Naturgesetze. Ohne mich mit ihnen in ein Boot setzen zu wollen: Große Naturwissenschaftler waren zum Teil streng gläubige Menschen. Auch Darwin hat zuerst Theologie studiert. Ich glaube sowieso, dass es keine richtigen Atheisten gibt. Es gibt Agnostiker …

das führt jetzt zu weit. Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht damit beschäftigt sind, Angriffe auf Ihre Person abzuwehren?

Die meisten Artikel lese ich gar nicht, weil sie mich nur ärgern. Außerdem ist es nutzlos. Konkretes Beispiel: Wir haben jetzt einen neuen Eisbär …

„Jeder in Deutschland kann besser als der Amtsinhaber Fußball-Bundestrainer sein und Zoodirektor“

Woloja, über den es in den Medien hieß, er sei eventuell der Bruder der bereits im Tierpark lebenden Tonja. Die geplante Verpaarung wäre also Inzucht.

Einfach gelogen! Das können wir schriftlich belegen. Aber Sie haben etwas anderes gefragt. Ich mache täglich einen Rundgang durch den Zoo oder Tierpark. Ich sitzte viel am Schreibtisch, auch abends und am Wochenende. Im Zoo habe ich ein Zimmer im Elefantenhaus, wenn ich mich mal umziehen muss. Wenn es spät wird, übernachte ich da auch manchmal. Normalerweise wohne ich aber im Direktorenhaus im Tierpark. Das Haus in dem Professor Dathe auch gewohnt hat.

Der Zoo-Aufsichtsrat hat Ihre Stelle schon ausgeschrieben. Mal ehrlich: Ist das ein attraktiver Job?

Natürlich ist das attraktiv. Aber das ist kein Job. Ich habe das immer als Berufung verstanden.

Was passiert nun mit Ihrem Erbe?

Der Berliner Zoo ist mit 1.500 Tierarten und an die 20.000 Tieren der artenreichste Tiergarten der Welt. Was hier entstanden ist, ist nicht nur mein Werk. Ich habe die Befürchtung, dass mein Nachfolger nicht so das Auge auf den Tierbestand hat, wie ich und meine Kuratoren es hatten. Politiker interessiert in der Regel nur, ob es Elefanten, Giraffen, Löwen und Menschenaffen gibt. Hirsche und Antilopen sind ihnen egal. Wir haben eines der modernsten Vogelhäuser der Welt eröffnet. Was hören Sie? Vögel? Och. Diese Fülle von tropischen Vögeln interessiert keinen.

Auf diese Nischen sind Sie besonders stolz?

Nicht nur die Nischen. Es geht um all die vielen Arten. Es wäre ein Schande, wenn man das gering achten würde. Und auch die Darstellung der Tierarten …

auch die Beschilderung an den Gehegen ist oft kritisiert worden.

Ach, dieses Gerede! Die Forderung Apps und all der Kokolores! Das kann es ruhig geben, aber ich muss es hier nicht haben. Die Leute sollen die Natur betrachten. Wenn sie was lesen wollen, sollen sie auf die Schilder gucken, da steht das alles drauf, auch in Englisch. Sie sollen sich einen Zooführer kaufen. Mit unseren publizistischen Veröffentlichungen geben wir uns sehr viel Mühe, mehr als jeder andere deutsche Zoo.

Was sind Sie eigentlich privat für ein Mensch?

Ich bin unkompliziert. Junggeselle. Meine privaten Neigungen haben größtenteils mit meinem Beruf zu tun. Ich habe ein Buch geschrieben: „Ein Zoodirektor auf Reisen“. Wie es aussieht, habe ich bald Zeit, den zweiten Band zu schreiben. Ich habe eine große Bibliothek, das ist nicht nur eine Fachbibliothek. Ich bin historisch sehr interessiert, lese aber auch gerne Kriminalromane. Früher bin ich viel ins Kino gegangen. Inzwischen gehöre ich zu der Altersgruppe, die zu Hause schon vor dem Fernseher einschläft. Ich halte mich für sehr humorvoll und kann auch gut Witze erzählen.

Bei der Frauensenatorin Dilek Kolat ist Ihr Humor aber gar nicht gut angekommen. Sie warf Ihnen Diskriminierung von Frauen vor. Gesetzt den Fall, Sie hätten eine Lebensgefährtin, würden Sie die auch als Zuchtstute bezeichnen?

Ich habe noch nie eine Frau als Zuchtstute bezeichnet. Die zoologische Bezeichnung 0,1 – auf die Sie anspielen, die ich für meine Mitarbeiterinnen verwendet habe – steht für weibliche Lebewesen aller Altersstufen. Mit Zucht hat das nichts zu tun. Ich habe diese Bezeichnung nicht erfunden, viele Zoos machen das. Das war doch lächerlich, was aus der Geschichte gemacht worden ist. Wenn ich eine Frau gehabt hätte, hätte ich mit ihr auch gerne Kinder gehabt. Das ist nun nicht gewesen. Dafür habe ich viele Neffen und Nichten mit vielen Kindern.

2009 hat Ihnen ein Affe bei einer Fütterung den rechten Zeigefinger abgebissen. Im Januar 2013 haben Sie sich im Zoo bei einem Sturz einen Schädelbasisbruch zugezogen. Man kann den Eindruck gewinnen, Sie sind vom Pech verfolgt.

Mit Pech hat das nichts zu tun. Ich bin ausgerutscht auf Eis, auf einem Stein. Und der Schimpanse hat mich reingezogen. Ich dachte, der Abstand ist weit genug. Dass der mit dem Arm so weit durch diese Gitter kommt, habe ich nicht gewusst. Jetzt weiß ich’s.

Was ist mit dem Affen passiert?

Gar nichts. Er sagt mir immer guten Tag. Erst heute morgen wieder. Es haben mich übrigens viele gefragt, ob der hingerichtet worden ist. Daran kann man auch wieder sehen, wie idiotisch die Sachen zum Teil dargestellt werden.

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