: Trash mit Tradition
JUBILÄUM Der Urberliner Ades Zabel ist Trash-Profi, schwule Bühnenikone und kreativer Motor zahlreicher Comedy-Projekte. Zu seinem 50. Geburtstag zeigt das Schwule Museum die Ausstellung „Ades’ Wunderland“
Die Berliner Ikone Ades Zabel feiert in diesem Monat 50. Geburtstag. An den Orten seines Wirkens wird er mit einer Hommage geehrt, zu sehen ist Neues wie Bewährtes: Bis zum 18. November läuft die Ausstellung „Ades’ Wunderland – 50 Jahre Comedy-Kult“ im Schwulen Museum, begleitet wird diese von Veranstaltungen, einem Filmprogramm im Kino Moviemento und Führungen mit Ades Zabel. Das Kino International zeigt am 7. September „Mutti – Der Film“. Am 21. September feiert im BKA das Buch „Ades verpflichtet“ Premiere. Eine gleichnamige Galashow läuft vom 28. September an im Tipi.
■ „Ades’ Wunderland – 50 Jahre Comedy-Kult“: Schwules Museum, Lützowstraße 73, bis 18. November. 6/4 €. Alle weiteren Termine unter: www.adeszabel.de
VON STEPHANIE URGAST
„Das ist eine kleine Zeitreise“, schwärmt Peter P., bevor er sich ein goldenes Paillettenjacket überstreift. Gemeinsam mit mehr als 100 weiteren Interessierten ist er zur Eröffnung der Ausstellung „Ades’ Wunderland – 50 Jahre Comedy-Kult“ gekommen. Erst kürzlich von Kreuzberg in die Schöneberger Lützowstraße gezogen, widmet das Schwule Museum dem Künstler hier eine eigene Geburtstagsschau.
„Ades’ Wunderland“ ist keine alltägliche Ausstellung: Es geht um das Gesamtwerk von Ades Zabel, Berliner Kult-Comedy-Ikone, der dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feiert. Dazu wird das Publikum eingeladen, zu staunen, zu lachen und mitzumachen. So gibt es für die Gäste die Möglichkeit, sich in anderen Rollen auszuprobieren. Wie Peter können sie dafür in bereitgestellte Kostüme schlüpfen. „Schon in den 80ern habe ich die Filme und Shows der Teufelsberger gesehen und freue mich auf die Zeitdokumente, die hier zu entdecken sind“, erklärt dieser.
„Das ist nicht nur gut gemachte und witzige Unterhaltung, die einfach Spaß macht“, sagt Michael Fürst, Kurator der Ausstellung. „Subversive Sozialkritik verbindet sich hier mit derbem, fast bösem Humor, ohne dabei jedoch den viel zitierten Zeigefinger zu heben.“ So zeigt die Ausstellung auch seine zahlreichen Bühnenschöpfungen. Mit scharfem Blick beobachtet er seine Mitmenschen und überträgt ihre Marotten und Befindlichkeiten in eigene, liebevoll überzogene Charaktere.
Die drei wichtigsten Figuren, denen man in Filmen und Shows stets wiederbegegnet, finden neben ihm ihren eigenen Platz: Edith Schröder, Futschi-schlürfende Hartz-IV-Empfängerin, die als bekannteste Hausfrau Neuköllns legendär ist, Karin Höhne, die pensionierte Spandauer Grundschullehrerin mit Weltherrschaftsanspruch, sowie die Moabiter Kiezschönheit Hürriyett Lachmann.
In Videointerviews verraten die drei intime Details aus dem Leben von Ades, schimpfen aber auch gern über Gentrifizierung im bald luxussanierten Trendbezirk Neukölln. „Es wird klar“, so Michael Fürst, „zwischen Ades und seinen Figuren gibt es zwar Schnittmengen, sie selbst haben aber auch ein starkes Eigenleben entwickelt.“
Zu sehen ist ein Querschnitt aus 50 Jahren Lebens- und Bühnengeschichte und Westberliner Subkultur: Fotografien, Plakate, Filme, Songtexte, Drehbücher und Kostüme dokumentieren das fast 30-jährige Schaffen des Künstlers. Darunter findet sich manch originelles Fundstück wie die folgenreiche Kündigung als Herrenkonfektionsverkäufer im KaDeWe.
„Das Lustigsein wurde mir in die Wiege gelegt“, erzählt Ades über sich. Die Wiege stand 1963 in Berlin-Haselhorst und Andreas war zu jener Zeit ein sehr beliebter Name. In der Oberstufe strich er dann jeden zweiten Buchstaben und aus Andreas wurde Ades, der dem Verkäuferalltag schnell den Rücken kehrte, um doch lieber Filmemacher und Schauspieler zu sein.
Anfang der 80er gründete er mit Olaf Wriedt die Comedy- und Kabarettgruppe „Die Teufelsberger“. Ihr Markenzeichen: schmerzfrei trashiger Dilettantismus in derbhumorigen Underground-Filmen und Bühnenshows. Das nachfolgende Projekt „Ades Zabel & Company“ professionalisierte sich – doch nur soweit wie nötig.
Profi-Trash ist nunmehr das Gütesiegel von Ades und seiner aktuellen Company-Familie Biggy van Blond, Bob Schneider, Nicolai Tegeler und Stefan Kuschner. „Früher waren wir sehr wüst. Die Shows nahmen kein Ende und strapazierten das Publikum“, erinnert sich Ades. „Heute improvisieren wir noch immer, sind aber doch zumindest ein wenig publikumsfreundlicher geworden.“ Berliner_innen wie Tourist_innen danken es und erheben die authentisch ruppigen Figuren zum Hauptstadtkult.
Auch subversiv-ironischer Drag macht die Arbeit von Ades seit jeher aus. „Ich sage gerne, ich verdiene mein Geld mit dem Tragen von Frauenkleidern, denn mit der Vorstellung von Travestie, also der Performance als toll zurechtgemachte Frau“, so der kreative Tausendsassa, „haben unsere Shows und Filme wenig zu tun.“
Die Ausstellung setzt Ades Zabel zudem in Beziehung zur Geschichte des Cross-Dressings: Schon Ende des 19. Jahrhunderts“, erwähnt der Kurator Michael Fürst, „hat es erfolgreiche Bühnenshows gegeben, in denen Männer in Damen- als auch Frauen in Herrenkleidern auftraten.“ Ades Zabels Kunst ist daher nicht nur rasanter Comedy-Trash, sondern baut auf der langen Tradition der ersten Drag-Showstars der Jahrhundertwende auf.
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