piwik no script img

Dubiose Finanzgeschäfte mit bösen Folgen

Nach zwielichtigen Transaktionen der eigenen Bank tritt der Chef des österreichischen Gewerkschaftsbundes zurück

WIEN taz ■ Braucht eine Gewerkschaft eine Bank? Und wenn, darf solch ein Geldinstitut sich auf hochriskante Geschäfte mit üblen Heuschrecken-Kapitalisten einlassen? Diese Fragen harren der Klärung angesichts des größten Skandals, der den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) in seiner 60-jährigen Geschichte erschüttert hat.

Prominentestes Opfer: ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch, der Montagvormittag dem Druck aus Kollegenkreisen nachgab und neben seinem Amt, das er seit 1987 bekleidete, auch sein Nationalratsmandat für die SPÖ zurückgab. Die SPÖ hat zwar formalrechtlich mit der Affäre nichts zu tun, ist aber durch personale Verflechtungen eng mit dem ÖGB verbunden.

Montagabend nahmen auch vier der acht Vorstandsmitglieder der gewerkschaftseigenen Bank für Arbeit und Wirtschaft (Bawag) den Hut. Lückenlose Aufklärung der Transaktionen, die die Bank und auch den ÖGB an den Rand des Kollaps gebracht hatten, wurde versprochen. Die Bank, deren Kapital aus den Einlagen einer Million kleiner und mittlerer Sparer bestand, versuchte in den 90er-Jahren dem Druck der Globalisierung standzuhalten, indem sie ihr Geld in dubiose hochspekulative Geschäfte in der Karibik steckte. Dafür wurden dem Sohn des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Walter Flöttl, Wolfgang Flöttl, enorme Beträge anvertraut. Das ging einige Jahre gut.

Doch um die Jahrhundertwende wendete sich auch das Glück für die Bawag. Flöttl hatte fast eine Milliarde Euro in den karibischen Sand gesetzt. Die Bank, die damals noch zu 46 Prozent der Bayerischen Landesbank gehörte, stand vor der Insolvenz. Statt sich an die Bayern zu wenden, die mit ihrem Kapital hätten einspringen können, entschloss sich der Bawag-Vorstand zum Alleingang.

Der ÖGB sollte aushelfen. Der kaufte der BLB ihre Anteile ab und gab der Bawag eine Ausfallshaftung, für die auch der Streikfonds, das Allerheiligste der Gewerkschaft, verpfändet wurde. Nur so konnte man eine Bilanz vorlegen, die einer Prüfung der Finanzmarktsaufsicht standhielt.

Im ÖGB wussten davon nur Präsident Fritz Verzetnitsch und Finanzsekretär Günter Weninger, auch Aufsichtsratschef der Bawag. Erst letzten Freitag musste der Bawag-Vorstand diese Transaktionen offen legen, weil sich Gerüchte über Spekulationsgeschäfte verdichteten. Die Verluste, so Generaldirektor Ewald Nowotny, seien abgeschrieben, das Kapital verdoppelt und der Bestand der Bank, die in den letzten Jahren nach Osteuropa expandierte, gesichert.

Jetzt wird geprüft, ob die Finanzakrobatik überhaupt legal war. Gegen den auf Bermuda auf großem Fuß lebenden Spekulanten Wolfgang Flöttl wurde gestern ein Haftbefehl ausgestellt.

Unabsehbar sind die politischen Konsequenzen. Beim ÖGB mischt sich Empörung über den Alleingang des abgetretenen Präsidenten mit Verständnis für den kühnen Coup, der die Bank gerettet habe. Im Regierungslager versucht man bereits, aus dem ÖGB-Skandal einen SPÖ-Skandal zu machen. Die Affäre passt nur zu gut in den schon längst von der ÖVP getrommelten Wahlkampf-Dauerbrenner, wonach die SPÖ regierungsunfähig sei, weil sie keine Wirtschaftskompetenz habe. RALF LEONHARD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen