: Preisgekrönt und abgelehnt
LOW BUDGET Der Hamburg-Thriller „Schlafende Hunde“ bekam keine Förderung, ist fürs Fernsehen uninteressant und fand keinen Verleih. Auf Festivals holt er trotzdem Preise
VON ECKHARD HASCHEN
Die ersten paar Sekunden bleibt die Leinwand schwarz. Dann betritt ein schon etwas älterer Mann einen dunklen Dachboden, geht ein paar Schritte – und sieht plötzlich sich selbst mit einer Kugel in der Stirn auf dem Boden liegen. Wie kann das sein?
Dies ist die vierzig Sekunden lange Eröffnungssequenz von Michael O’Connors „Schlafende Hunde“. Dieser fast ausschließlich in Hamburg-St. Georg gedrehte Erstlingsfilm hatte seine Premiere schon vor drei Jahren beim Filmfest Hamburg und erhielt dort einen Drehbuchpreis. Nach einer beachtlichen Festivalkarriere mit mehreren internationalen Preisen kommt der Psychothriller nun als Auftakt einer Kino-Tour noch einmal im Hamburger Metropolis zur Aufführung. Weitere Termine in anderen Kinos und Städten stehen noch nicht fest, werden aber, sobald es sie gibt, auf der Website www.schlafende-hunde-film.de veröffentlicht.
„Schlafende Hunde“ ist ein ungewöhnliches Filmprojekt: Gedreht wurde Ende 2008, Anfang 2009 in Schwarzweiß – zu einer Zeit also, als dies noch nicht durch Filme wie „Oh Boy“ oder „Frances Ha“ wieder in Mode gekommen war. Aber vor allem ist der Film ohne jegliche Filmförderung entstanden. Was bei abendfüllenden Spielfilmen fürs Kino in Deutschland eine Seltenheit ist.
Wie dreht man also seinen ersten, professionellen Standards genügenden Spielfilm, wenn man weder über größere Eigenmittel verfügt noch einen großzügigen Geldgeber an seiner Seite hat? „Indem man einfach zur Tat schreitet“, sagt der in Dublin aufgewachsene und seit 1995 in Hamburg lebende Michael O’Connor. Nach mehreren Kurzfilmen und mancher Ablehnung bei der Filmförderung wollte er irgendwann nicht mehr länger warten.
Der Drehbuchentwurf kam von O’Connors Freundin Ninon Schubert, die das Aufbaustudium Film absolviert und mit der O’Connor 2006 die Produktionsfirma Shakedown Films gegründet hatte. Die Geschichte handelt von einem von Todesvisionen geplagten Vater, der nach 15 Jahren Abwesenheit nach Hamburg zurückkehrt, um seinen inzwischen erwachsenen Sohn zu sehen. Dabei wird er von seiner Vergangenheit eingeholt.
Um die Kosten möglichst niedrig zu halten, mussten Techniker und Schauspieler gefunden werden, die bereit waren, an mehreren Wochenenden praktisch ohne Gage zu arbeiten. In Guy Refael fand O’Connor nach langer Suche schließlich einen Kameramann, der ihm wunderbar kontrastreiche Schwarzweißbilder lieferte. Mit dem in Hamburg lebenden Nordiren John Kirby fand er einen passenden Hauptdarsteller und mit Hans-Christoph Michel einen Widersacher, der eine schöne Ambivalenz zwischen Charme und Bedrohlichkeit ausstrahlt.
Fast alle Szenen von „Schlafende Hunde“ wurden in Hamburg-St. Georg gedreht, also zwischen Hauptbahnhof, Alster und Hansaplatz. Dies verleiht dem Film nicht nur seine besondere Dichte, sondern hatte zudem den Vorteil, dass die Drehorte in weniger als zehn Minuten Fußweg von O’Connors und Schuberts gemeinsamer Wohnung erreichbar waren.
Sicher hat dies mit dazu beigetragen, dass sehr viel gedreht wurde, insgesamt 52 Stunden Material. All das mit einer geleasten und später wieder verkauften Digitalkamera, ohne Stativ bei natürlichem Licht und Originalton. Dass sich der fertige Film fast wie bei einem Dokumentarfilm erst allmählich aus dem Material herausgeschält hat, merkt man dem sehr konzentriert wirkenden Werk nicht an.
So lang und mühevoll die Realisierung von „Schlafende Hunde“ war, so lange dauert nun auch schon dessen Reise von einem Filmfestival zum nächsten. Als sich Ende 2010 weder ein Verleih noch das Fernsehen für den Film interessierte, begannen O’Connor und Schubert, den Film auf kleineren Festivals vor allem in den USA einzureichen. In der Folge erhielten sie beispielsweise auf dem Arizona International Film Festival, dem Independent Filmmakers Showcase in Los Angeles und dem Nevada International Filmfestival Preise in unterschiedlichen Kategorien.
Filme scheinen von einem bestimmten Zeitpunkt an so etwas wie ein Eigenleben zu entwickeln. Manche schlagen am Startwochenende groß ein und werden dann doch schnell wieder vergessen. Andere wie David Lynchs „Eraserhead“ entwickeln sich über Mitternachtsvorstellungen nach und nach zum Kultfilm. Ein gewisses Kultpotenzial hat „Schlafende Hunde“ allemal. Die Zeit wird es zeigen.
„Schlafende Hunde“: 18. 9., 19 Uhr, Metropolis, Hamburg; Regisseur und Schauspieler werden anwesend sein
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