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KommentarEs gibt mehr als Muttivatikind

Auf dem Stadtwerder muss grundsätzlich umgedacht werden

555.000 Euro kostet eins der Reihenhäuser auf dem Stadtwerder. Eine halbe Million Euro für einen Neubau von knapp 180 Quadratmetern – das erscheint angesichts der explodierenden Bremer Immobilienpreise als fairer Preis. Schließlich werden wesentlich kleinere und zum Teil sanierungsbedürftige Häuser im Viertel für 400.000 Euro angeboten – und gekauft.

Dennoch: Dass es keine Interessenten für die Häuser gibt, ist kein Wunder. Angeblich sind sie für Familien gedacht – aber offenbar nur für ganz kleine. Mehr als ein Kinderzimmer ist in keinem der Grundrisse vorgesehen. Dafür bekommt die Blechkiste ein eigenes Zimmer, im Erdgeschoss.

Und selbst wenn eine Familie mit nur einem Kind so viel ausgeben kann: Warum sollte sie dann auf den Stadtwerder ziehen und nicht in ein etwas kleineres Haus in Findorff oder der Neustadt oder Peterswerder? Dorthin, wo es einen Bäcker nebenan gibt, einen Kindergarten um die Ecke und eine Schule in der Nachbarschaft? Und vor allem: Viele andere Kinder und deren Eltern?

So, wie der Stadtwerder jetzt geplant und gebaut ist, ist er attraktiv für Menschen, die gerne wenig von anderen mitbekommen. Die nach ihrem Erwerbsleben oder zum Feierabend in stilvollem Ambiente den Weserblick genießen und mit dem Auto zum Italiener fahren, wenn ihnen der Sinn nach Gesellschaft steht. Das ist ein völlig legitimes Lebensmodell. Ein Problem entsteht, wenn dieses einen Stadtteil dominiert, so wie die Überseestadt und, im Kleinen, den Teerhof.

Lebendig wird eine Gegend erst, wenn sich Menschen auch außerhalb der eigenen vier Wände aufhalten. Wenn sie draußen spielen, miteinander ins Gespräch kommen, sich streiten, etwas leihen, ein Straßenfest feiern. Kurz: Ohne Kinder bleibt der Stadtwerder eine „Appartment-Schlafstadt“, wie der grüne Stadtentwicklungspolitiker Carsten Werner zu recht kritisiert.

Deshalb müssen die Architekten die Grundrisse an die Bedürfnisse von Familien mit mehr als einem Kind anpassen. Oder, noch besser, sie entwerfen größere Einheiten, in denen viele leben können. Nicht nur Muttivatikinder, sondern auch Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Ältere und Kinderlose, die sich freuen, wenn es nicht mucksmäuschenstill ist. Damit sinkt auch der Quadratmeterpreis. Wenn jetzt noch das neue Bremer Gesetz gelten würde, nach dem ein Viertel der Bebauung Sozialwohnungen sein müssen: Leben wäre garantiert.

EIKEN BRUHN

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