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Grüne auf schmalem Grat

Gesetzentwurf soll die Presse vor Durchsuchungen schützen. Doch bei einer Anhörung lösten die Grünen damit überraschende Kontroversen über den Sinn von Amtsgeheimnissen aus

AUS BERLIN CHRISTIAN RATH

Mit so viel Kritik hatten die Grünen nicht gerechnet: Gestern berieten Experten im Rahmen einer Anhörung über ihren Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit. Nach dem Vorschlag der Grünen sollen Journalisten künftig generell nicht mehr wegen Beihilfe und Anstiftung zum Geheimnisverrat bestraft werden können. Die Grünen reagierten damit insbesondere auf die Cicero-Affäre. Hier hatte die Staatsanwaltschaft Büro- und Wohnräume des Cicero-Mitarbeiters Bruno Schirra durchsucht, um eine undichte Stelle beim Bundeskriminalamt aufzudecken.

Martin Klingst, Politik-Chef der Zeit, ging der Grünen-Vorschlag zu weit. „Journalisten, die am Bruch von Amtsgeheimnissen mitwirken, sollten nur dann straflos bleiben, wenn die Presse Skandale aufdeckt. Wenn wie bei Cicero die Telefonnummer eines Terroristen veröffentlicht wird, hat dies mit dem Wächteramt der Presse nichts zu tun.“

Der linke Strafverteidiger, taz-Anwalt und taz-Kolumnist Johannes Eisenberg bezeichnete die Cicero-Affäre abschätzig als „erfolgreiche Marketing-Kampagne“ eines Monatsmagazins. Er hielt den Gesetzentwurf der Grünen für verfehlt: „Im polizeilichen Ermittlungsverfahren dient die Geheimhaltung vor allem dem Grundrechtsschutz der Betroffenen“, so Eisenberg.

Kritik gab es auch vom Deutschen Anwaltverein. Dessen Vertreter Rainer Hamm fragte: „Warum soll eigentlich ein Polizist, der Informationen weitergibt, bestraft werden, wenn der Journalist, der ihn dazu anstiftete, straffrei bleibt?“

Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Fraktion räumte ein, dass sich der Gesetzentwurf auf einem „schmalen Grat“ bewege. Die Pressefreiheit sei aber das „Grundrecht der Grundrechte“ und deshalb in der Demokratie besonders wichtig. Fraktions-Vize Christian Ströbele fragte die Kritiker, ob sie auch das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten abschaffen wollten. „Auch damit wird die Verletzung von Amtsgeheimnissen begünstigt, trotzdem hält es jeder für notwendig. Wir sind nur konsequenter“, sagte Ströbele.

Für den Gesetzentwurf der Grünen sprachen sich die Vertreter des Deutschen Journalistenverbandes und des Deutschen Presserats aus. Johannes Weberling, der Anwalt von Bruno Schirra, sagte: „Der Vorschlag sollte Konsens bei allen verfassungstreuen Abgeordneten sein“.

Auch die FDP hat inzwischen einen ähnlichen Gesetzentwurf vorgelegt.

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