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Schwarz ohne Grün

AUS STUTTGART HEIDE PLATEN

Baden-Württemberg wird nicht schwarz-grün regiert werden. Das gab Ministerpräsident Günther Oettinger gestern Nachmittag im Stuttgarter Abgeordnetenhaus bekannt. Ab morgen werde er Koalitionsverhandlungen mit der FDP beginnen.

„Wollen hätte er wohl mögen, aber dürfen hat er nicht gesollt.“ – So oder so ähnlich hatten CDU-Abgeordnete gestern Mittag schon Stunden vor der öffentlichen Bekanntgabe gewitzelt. Viele wirkten sichtlich erleichtert über das Ende des Techtelmechtels mit den Grünen, das der Regierungschef gleich nach der Landtagswahl vor anderthalb Wochen begonnen hatte.

Die Grünen-Landesvorsitzende Petra Selg beklagte, dass der mächtige CDU-Fraktionsvorsitzende und Oettinger-Widerpart Stefan Mappus schon am Tag zuvor, kurz nach dem zweiten Gespräch mit den Grünen, vorgeprescht war und in einem Interview verkündet hatte, die Mehrheit seiner Partei gebe der FDP „die Priorität“. Mappus hatte dabei mit einer Telefonschaltkonferenz und E-Mails aufgetrumpft, aus denen nach seinen Worten klar hervorgehe, dass die Parteibasis den Kurs des Regierungschefs auf keinen Fall mittragen würde.

Mappus – Spitzname „das Krokodil“ –, zu dessen 40. Geburtstag gestern im Flur der Fraktion eingedeckt war, konnte sich einer großen Zustimmung gewiss sein. Von „Verrat“ und „Wählerbetrug“ soll da die Rede gewesen sein, weil Oettinger sich vor der Wahl klar für einen Weiterbestand der bereits zehn Jahre währenden Koalition mit der FDP ausgesprochen hatte.

Am Nachmittag demonstrierten Oettinger und Mappus Einigkeit. Beide, so Oettinger, hätten sich seit Tagen immer wieder abgesprochen, und er selbst habe der Fraktion das weitere Zusammengehen mit der FDP empfohlen. Die Entscheidung sei ohne Abstimmung, „schnell und einvernehmlich“, gefallen. Er könne allerdings nicht verhehlen, dass ihn die Angriffe der FDP auf die Union während „der Schlussphase des Wahlkampfes schon irritiert“ hätten. Trotzdem hätten sich am Ende die „größeren Schnittmengen ergeben“. Dissens mit den Grünen habe es vor allem beim „Energiemix unter Einbeziehung der Kernkraft“ und bei der Verkehrsplanung gegeben.

Anschließend trat Oettinger noch einmal zusammen mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Winfried Kretschmann vor die Mikrofone. Kretschmann nannte als einen der unvereinbaren Streitpunkte das Festhalten der CDU an der Atomkraft. Da das aber Bundessache sei, hätte das Thema zwar „auf Eis gelegt werden können“, dies hätte aber unweigerlich zu „kommunikativem Dauerstress“ geführt und „unsere Glaubwürdigkeit angenagt“.

Kretschmann dankte Oettinger für dessen „Ernsthaftigkeit“. Er bedauerte den Sieg der Traditionsbataillone“. Der CDU wünschte er „das Regieren, das sie gewohnt ist – mit einem langweiligen Koalitionspartner“. Jedenfalls stehe jetzt fest, dass die Grünen einerseits an ihrer eigenen Programmatik festhielten, andererseits aber „grundsätzlich koalieren“ könnten.

Stefan Mappus hatte den Sinn der Gespräche anderswo gesehen. Er ließ durchblicken, dass die Bundes-CDU der schwarz-grünen Verbindung nicht ganz abgeneigt gewesen wäre. Ihr habe man mit den Treffen einen Gefallen getan, denn schwarz-grüne Bündnisse seien nun eine Option und eröffneten der CDU mehr Spielräume für die Zukunft – allerdings besser anderswo.

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