Syriens Meister der spitzen Feder

KARIKATUR Vor den Zeichnungen von Ali Ferzat sind die Mächtigen nicht sicher. Er hat Glück, dass er überhaupt noch lebt – und inzwischen ist er im Exil

VON BEATE SEEL

BERLIN taz | Die Zeichnung zeigt den ehemaligen libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi im Auto auf der Flucht, daneben steht der Tramper Baschar al-Assad und hofft auf eine Mitfahrgelegenheit. „Dies ist das Cartoon, das mir die meisten Probleme eingebracht hat“, schrieb der syrische Karikaturist Ali Ferzat dazu, „und es ist der Grund, warum die Regierung so wütend auf mich war.“

Eine Woche nach der Veröffentlichung wurde er am 25. August 2011, als er in den frühen Morgenstunden auf dem Weg nach Hause war, von einer Gruppe maskierter, bewaffneter Männer überfallen und brutal zusammengeschlagen. Dabei hatten es die Angreifer vor allem auf seine Hände abgesehen. Schließlich ließen sie ihn bewusstlos an einer Straße am Rand von Damaskus liegen. Ein reiner Zufall, dass er gerettet wurde.

Heute lebt Ferzat in Kuwait im Exil, kann wieder zeichnen – es dauerte sieben Monate, bis er so weit war – und stellt derzeit seine Zeichnungen in einer Galerie in London aus.

Ali Ferzat, der 1951 in Hama geboren wurde, ist der bekannteste syrische Karikaturist. Die Themen, die er aufspießte, waren die Malaise der arabischen Politik und Gesellschaft – Bürokratie, Korruption, Heuchelei, aber auch Probleme des täglichen Lebens. Seit 1970 als professioneller Künstler tätig, zeigten seine Figuren lange keine individuellen Züge, waren also nicht als dieser oder jener Machthaber zu erkennen.

Für manche reichte das allerdings schon. Bei einer Ausstellung im Pariser Institut der Arabischen Welt setzte die irakische Botschaft zunächst durch, dass eine seiner Karikaturen abgehängt wurde. Sie zeigten einen anonymen General, der den Teller eines Bettlers mit Orden füllt. Offenbar erkannte sich Saddam Hussein in der Figur wieder. Nach einem Streik der Angestellten wurde das Blatt wieder aufgehängt. Ferzat erhielt im Anschluss Einreiseverbot in vier arabische Staaten.

So war es für ihn eine bewusste Entscheidung, Assad direkt zu attackieren. Wie viele andere setzte er nach dessen Machtantritt im Jahr 2000 zunächst Hoffnungen in den „Damaszener Frühling“, doch diese verflüchtigten sich dann schnell. Eine der ersten Karikaturen, die Ferzat drei Monate vor dem Beginn der Revolution Anfang 2011 zeichnete, zeigt den Präsidenten auf der Armlehne eines Sessels hockend, aus dessen Sitzfläche spitze Sprungfedern herausragen. In Nachhinein gesehen ein schon fast prophetisches Bild.