: In Somalias endlosem Krieg gewährt keine Seite Schutz
HINTERGRUND Eine ganze Generation von Somalis weiß gar nicht mehr, was ein funktionierender Staat ist
Somalia ist wohl das einzige Land der Welt, in dem eine ganze Generation ohne Staat aufgewachsen ist. Die letzte Zentralregierung führte Militärdiktator Siad Barre, der Anfang 1991 von Rebellen gestürzt wurde. Die Rebellen zerstritten sich sofort. Ein Teil gründete im Norden Somalias, der einstigen britischen Kolonie Somaliland am Golf von Aden, einen eigenen Staat, der als „Republik Somaliland“ bis heute existiert. Die anderen bekämpften sich in und um Somalias Hauptstadt Mogadischu. UN-Blauhelme richteten nichts aus, eine US-Militärintervention 1992 bis 1993 scheiterte, 1995 zog die UNO ab und überließ Somalia sich selbst. Im Laufe der Jahre gewannen radikale Islamisten immer mehr Einfluss und eroberten 2006 die Hauptstadt Mogadischu. Aus Angst, Somalia werde zum Brückenkopf von al-Qaida, marschierte Äthiopien mit US-Unterstützung Ende 2006 in Somalia ein und stürzte die Islamisten wieder. Eine Reihe von Übergangsregierungen hat es seitdem nicht geschafft, Mogadischu unter Kontrolle zu halten, vor allem seit Äthiopiens Abzug 2008.
Die Islamisten spalteten sich, ein gemäßigter Flügel stieß zu Somalias prowestlichen Kräften und regiert heute Mogadischu. Er kontrolliert aber nur Teile der Stadt mit Hilfe einer 4.300 Mann starken Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU) sowie der Unterstützung der USA, der EU und Äthiopiens. Die radikalen Islamisten im Süden Somalias bestehen hauptsächlich aus den Milizen al-Shabaab und Hizbul Islam und sind mittlerweile auch intern verfeindet. Immer wieder fordern schwere Kämpfe in Mogadischu, bei denen vor allem das Regierungslager bedenkenlos Wohngebiete unter Kontrolle des Gegners mit Raketen beschießen, zahlreiche Opfer.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf al-Shabaab in einem gestern veröffentlichten Bericht „Tötungen, grausame Bestrafungen und repressive Sozialkontrolle“ vor. Dafür, dass die Region unter ihrer Kontrolle teils befriedet sei, zahle die Bevölkerung „einen sehr hohen Preis“. D.J.
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