: Halb Tier, halb Hirngespinst: Was man über Wölfe sagt – und was davon stimmt
Das Alpha-Tier
Gibt es – nur in Gefangenschaft: Die Annahme, dass Wolfsrudel Rangordnungskämpfe austrügen, gilt als widerlegt durch Beobachtungen in freier Wildbahn. Die – sehr populäre – Hypothese vom Alpha-Tier hatte sich auf Beobachtungen von Wölfen im Basler Zoo gestützt. Tatsächlich beschrieben wurde dabei jedoch eine Anpassungsleistung an die Bedingungen der Gefangenschaft.
Wölfe töten Menschen
Selten. Seltener als Bienen: Während 40 Menschen jährlich in Deutschland an Bienenstichen sterben, hat eine vom norwegischen Zoologen John C. D. Linnell geleitete globalen Studie 2002 in Europa seit 1945 neun Tötungen durch Wölfe festgestellt. Anderswo sieht’s anders aus: Im indischen Staat Uttar Pradesh sollen Wölfe zwischen 1991 und 1997 insgesamt 90 Kinder getötet haben. Im selben Zeitraum töteten Elefanten dort 242 Menschen. Für Aufsehen sorgte 2010 der Fall der 32-jährigen Candice Berner in Alaska. Sie kam am 8. März nicht vom Joggen heim nach Chignik Lake. Wölfe hatten sie gerissen.
Der Wolf säugt Menschen
Es ist extrem unwahrscheinlich, dass eine säugende und daher besonders nahrungsbedürftige Fähe wehrlose Beutetiere wie Babys verschmäht – und stattdessen säugt. Die mythologischen Erzählungen von Kyros II. über Romulus und Remus bis hin zu Rudyard Kiplings Mogli sind vielleicht als ferne Reflexe der Domestikationsgeschichte zu lesen – denn als plausible Annahme über deren Anfänge gilt, dass Menschen verwaiste Wolfswelpen gesäugt hätten. Im Licht der Mythologie sind dann Fälle wie der des 1798 im Wald von Aveyron gefangenen Zehnjährigen gedeutet worden: Der arme Bub wird wohl ein ausgesetzter Autist gewesen sein – und kein Wolfsjunge. François Truffauts 1970 gedrehter Spielfilm bleibt trotzdem ein Muss. BES
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