: Ogottogottogottogott
Schlechte Zeiten für freie Gotteslästerer. Eine kurze Geschichte der Religionskritik
Ich schlage mich schlecht und recht als freier Gotteslästerer durch. Das Geschäft geht nicht gut. Auch ich habe unter der deutschen Misere zu leiden. Früher haben die Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften und Ausstellungskatalogen in schöner Regelmäßigkeit blasphemische Texte von mir haben wollen und dafür üppige Honorare gezahlt. Heute ist die Auftragslage um mehr als die Hälfte zurückgegangen – und die Höhe der Honorare auch.
Es ist hart, zumal mir als Kirchenfeind und Institutionsverächter die Ehe immer zuwider war, nicht aber der Sexualtrieb. Als gäbe es einen grausamen Gott, der mich für meine Sünden und die meiner Väter strafen wollte, geriet ich stets an Frauen, die weder die Pille noch Kondome vertrugen, weshalb ich fünf uneheliche Kinder habe – und entsprechende Unterhaltszahlungen.
Als im vergangenen Jahr der alte Papst starb, konnte ich nur eine Schmähkritik verkaufen, als der neue Wicht gewählt wurde, bestellte keiner bei mir eine Verhöhnungsbegrüßung. Selbst den himmelschreienden Kirchentagswahn wollten unsere vorsichtig gewordenen Printmedien nicht mit Spott begossen haben. In den Redaktionen sitzen inzwischen immer mehr Menschen zwischen 30 und 40, die der perversen Ansicht sind, man dürfe die religiösen Gefühle anderer Menschen nicht verletzen, und die nicht kapieren, dass der christliche, jüdische und muselmanische Wahn eine massive und permanente und schmerzhafte Vernunftverletzung darstellt, gegen die man sich zur Wehr setzen muss.
Ganz gut was rein kommt durch meine Seminare für Leute, die aus der Kirche austreten wollen, aber den lächerlichen Sprung in die Freiheit nicht schaffen. Wer in Seminare geht, hat zu viel Geld und zu wenig Verstand. Das nütze ich aus. Ich lasse meine Schäflein ein bisschen herumbrüllen. Gott wird als altes Arschloch beschimpft, Jesus als gerissener und verlogener Heuchler – diese Tour. Psycho eben. Es geht mir auf die Nerven, aber den Leuten tut es gut. Es ist für Anfänger. Die Fortgeschrittenen lernen dann bei mir, dass Religionsbeschimpfungen auch nur auf eine ähnlich bescheuerte Mühlenmahltour ablaufen wie Gebete an der Klagemauer: also hospitalistisch, autistisch – etwas für Leute, die Freude daran haben, sich zum Wurm oder zur Schnecke zu machen – oder zur Moscheeschabe. Mekka, Rom, Jerusalem und wohl auch Tibet: alles die gleiche Hirnverbranntheit. Die Damen und Herren von Welt lästern nicht in Litaneien. Richtig gut verdient man übrigens, wenn man Deutschen beibringt, spöttische Bemerkungen gegenüber jüdischen Gläubigen zu machen. Ein harter Kurs, den die wenigsten erfolgreich absolvieren, obwohl dieser Zustand der kritischen Normalität von vernünftigen Juden längst gefordert wird.
Was die zurzeit durchgeknallten Muselmanen mit ihrem Mohammedgejohle betrifft, bin ich nicht so skeptisch. Mein ziemlich pessimistischer Vater, der Religionen für strahlenden Sondermüll hielt, befürchtete in seiner Vorlesung „Über die Verfallszeiten monotheistischer Religionen“, dass uns die Unverschämtheiten des Islam noch lang belästigen werden. Das Christentum habe seine aggressive Phase erst nach 1.200 Jahren mit der Inquisition erreicht, und erst nach 1.700 Jahren, mit der Aufklärung, sei ihm allmählich der Saft ausgegangen. Der Islam sei gute 500 Jahre jünger, und also müsse man damit rechnen, dass es noch, 1.700 plus 500 ist gleich 2.200, also noch etwa 200 Jahre dauern werde, bis der Islam seine Bösartigkeit verliere und die Muselmanen sich zu normalen menschlichen Wesen entwickelten, mit denen man gepflegt über Gott und die Welt lästern könne. Doch hat mein Herr Papa das Gesetz der zunehmenden Entwicklungsgeschwindigkeit nicht berücksichtigt. In spätestens drei Generationen müsste das Geschwür im Islam abgestorben und auch diese Religion zu einer folkloristischen Hülle geworden sein.
Wenn man sich allerdings Hans Joachim Meyer vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken betrachtet und ihm lauscht, kann man wieder seine Fortschrittszweifel bekommen. Oder ist das ein letztes Aufbegehren vor dem längst fälligen Verlöschen? Diese sauertöpfische Katastrophengestalt wettert jedenfalls mit erstaunlich unchristlichen Kraftworten gegen eine (ab Mai) von MTV geplante Papstsatire-Serie „Popetown“, spricht von einer „widerwärtigen Verhöhnung der katholischen Kirche“ und ruft (unter dem Beifall der CSU selbstverständlich) frech in die Fernsehkamera: „Der Punkt ist, dass das geistige Klima in der Gesellschaft versaut wird.“ Die britische BBC, für die der Vatikan-Comic produziert wurde, hat sich bereits zum Pudel der Katholiken gemacht und strahlt die Blödelserie nicht aus.
Das wahrhaft Widerwärtige ist nun, dass man in diesem Fall auch noch zu dem Idiotenmusiksender MTV halten muss. Sei standhaft und krieche nicht vor Kriechern zu Kreuze, Sender!
JOSEPH VON WESTPHALEN
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