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Professor Schneider verschenkt Scheine

Pädagoge der Uni Köln bestätigt Studierenden die Teilnahme an seiner Vorlesung – ohne dass er sie je gesehen hat

Für Studierende lohnt es sich, die Homepage von Professor Wolfgang Schneider zu studieren. „Wer einen Teilnahmeschein braucht“, schreibt der Pädagoge der Universität Köln, „bekommt diesen ohne Teilnahme.“ Auf gut Deutsch heißt das: Bei mir gibt's Scheine ohne jeden Aufwand. Ist das die schöne neue Uniwelt, die da in Köln anbricht?

Schneider bleibt gelassen, wenn man ihn auf den Vorgang anspricht, den Kölner Zeitungen sogleich als Ungeheuerlichkeit skandalisiert haben. „Leistungsnachweise in Seminaren gibt es bei mir nur nach Referat, schriftlicher Arbeit und Anwesenheitskontrolle“, weist der Erziehungswissenschaftler den Vorwurf des Studiums für lau von sich.

Bei Vorlesungen hält es Schneider bewusst anders – denn er will jedem Studierenden Gerechtigkeit widerfahren lassen. „Ich kann niemandem zumuten, seine ganze Studienplanung über den Haufen zu werfen, nur weil es nicht genug Studienplätze gibt.“ Da liegt der Hase im Pfeffer. Für die Vorlesung des Erziehungswissenschaftlers hatten sich 450 Studierende angemeldet – Platz ist nur für 120 künftige Lehrer. Die Studenten brauchen aber einen Teilnahmeschein, sonst verschiebt sich ihr ganzer Studienablauf.

Gerne würde Schneider einfach mehr Studenten in den Hörsaal lassen, aber das geht nicht. Dann bekäme er’s mit dem Hausmeister zu tun, der aus feuerpolizeilichen Gründen die Teilnahme begrenzen muss. Deswegen plädiert Schneider für pragmatische Lösungen bei der Scheinvergabe. Andere Professoren, so sagte er der taz, verfahren genau wie er und vergeben Teilnahmescheine auch ohne Anwesenheitskontrolle. Nur setzen sie das Drehbuch der kreativen Scheinvergabe nicht für jeden nachlesbar auf ihre Homepage.

Das Problem ist kein Kölner Einzelfall. Gerade in deutschen Lehramtsstudiengängen herrscht wieder großer Andrang, weil fast alle Bundesländer angekündigt haben, in absehbarer Zeit Lehrer einzustellen. Allerdings: Das nötige Uni-Personal stellen die Länder nicht zur Verfügung. An der Uni Münster, wo die Plätze für ein Englisch-Seminar nach kürzester Zeit vergeben waren, machten die Studierenden auf andere Art ihrem Ärger Luft – sie stürmten aus Protest eine Senatssitzung.

Die Kölner Universitätsleitung weist alle Verantwortung von sich und erklärt die Situation zum Einzelfall. Axel Freimuth, Rektor der Uni Köln, gibt immerhin zu, dass die Pädagogische Fakultät total überlastet ist: „Alle angehenden Lehrer brauchen diese Pädagogik-Scheine“, sagte er der taz. Das ist immerhin ein Viertel der 48.000 Kölner Studierenden. Weil die Universitäten Bonn und Düsseldorf ihre Lehrerausbildungen geschlossen haben, will auch Freimuth jetzt den Zugang beschränken. Der Rektor verhandelt deswegen mit dem Ministerium über einen Aufnahmestopp für Lehramtskandidaten.

Das wäre eine Lösung, die man in Deutschland gut kennt. Sobald die Zahl der Studierwilligen die der Plätze überschreitet, wird die Nachfrage künstlich gedrosselt. Entweder wird dann, wie es in den Siebzigerjahren hieß, „der Studentenberg untertunnelt“. Oder es wird ein Numerus clausus verhängt – das heißt, die Studiengänge beschränken den Zugang. Allerdings ist das keine geeignete Lösung für die starken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren an die Hochschulen drängen. Bis 2010 rechnet man mit einem Zuwachs um 350.000 Studierende auf dann 2,4 Millionen.

Für die Uni Köln ist die Situation auch deswegen pikant, weil die Hochschulleitung sich parallel um die Sonderzuschüsse für Elite-Universitäten bemüht. Wie passt das zusammen: Eliteausbildung für Handverlesene hier, Abweisen hunderter Studierwilliger dort? Schneider fällt da nur eins ein: „Es wird Zeit, nach dem Elitewettbewerb für die Forschung auch einen solchen Wettbewerb für die Lehre auszuschreiben, sonst bekommen wir bald vollends chaotische Zustände.“ Noch einen Tipp hat der Professor auf seiner Homepage für Studenten: „Beschweren Sie sich umgehend beim Dekanat über die Missstände!“ CIF

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