: Als käme ganz Bielefeld nach Brasilien
WM-QUALIFIKATION II Island könnte sich erstmals für die Endrunde eines großen Turniers qualifizieren. 320.000 Insulaner sind schwer begeistert
STOCKHOLM taz | „Selbst Leute, die sich nie für Fußball interessiert haben, hat’s gepackt“, erzählt Hans Steinar Bjarnason, Sportjournalist beim isländischen Fernsehen RUV. Auf Island herrscht Fußballfieber. Der Platz als Zweiter der WM-Qualifikationsgruppe E, den man sich am Dienstag mit einem 1:1 in Oslo gegen Norwegen auch endgültig gesichert hatte, bedeutet, dass die isländische Elf nur noch zwei Playoff-Spiele von der möglichen Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Brasilien trennen. So nahe an der Teilnahme an einem großen Wettbewerb waren die isländischen Fußballer noch nie.
Die bislang größte Annäherung an die Endrunde eines großen Turniers war die Qualifikation zur Europameisterschaft 2004 in Portugal gewesen. Bei der dann aber doch das entscheidende Pünktchen fehlte. Dass die Isländer traditionell für Überraschungen gut sind, musste die deutsche Nationalmannschaft 2003 in Reykjavík erfahren, als sie nicht über ein 0:0 hinauskam – Anlass für den berühmten „Weizenbier-Ausbruch“ des damaligen Bundestrainers Rudi Völler. Doch noch vor gut einem Jahr rangierte der Inselstaat auf Platz 131 der Fifa-Weltrangliste – noch hinter den Färöer-Inseln. Am gestrigen Mittwoch lag man auf Platz 54.
Der Erfolg hat mehrere Gründe. Einer ist Lars: Ende 2011, nach einem enttäuschenden Abschneiden Islands bei der EM-Qualifikation 2012, mit 6 Niederlagen in 8 Spielen, übernahm der ehemalige schwedische Nationalcoach Lars Lagerbäck die Mannschaft. In Island konnte er auf eine junge Generation offensiver Spieler zurückgreifen, die wie etwa Eidur Gudjohnsen (FC Brügge) oder Gylfi Sigurdsson (Tottenham Hotspur) bei internationalen Spitzenklubs spielen.
Lagerbäck sei ein respektierter Trainer, der bislang mangelnde Professionalität mitgebracht habe, meint Bjarnason. Die Qualifikation glich einer ständigen Berg-und-Tal-Fahrt, bei der ein beeindruckendes 4:4 gegen die Schweiz oder Siege gegen Norwegen und Albanien sich mit Niederlagen gegen Zypern oder Slovenien abwechselten. Neben Lagerbäck sei der Ausbau der Sportinfrastruktur ein zweiter wichtiger Grund für den Erfolg, meint Vidir Sigurdsson, Sportredakteur der Tageszeitung Morgunbladid.
In den letzten 15 Jahren wurden überall auf der Insel Fußballhallen gebaut. Nun kann das ganze Jahr gespielt werden. Fast jede Schule bekam einen Kunstrasenplatz. Zusammen mit einem Programm zur Qualifizierung der Trainer durch den nationalen Fußballverband „Knattspyrnusamband Íslands“ (KSI) habe das die Voraussetzungen für den isländischen Fußball radikal verändert, sagt Sigurdsson. Das Land mit seinen 320.000 Einwohnern, vergleichsweise etwa so viel wie Bielefeld, hat nun 22.000 lizenzierte FußballspielerInnen. Sollte Island bei der Playoff-Auslosung nicht Portugal erwischen, wird sich die Aussicht auf einen neuen Rekord in die Träume der Insulaner schleichen: Bislang war Trinidad und Tobago das kleinste WM-Teilnehmerland. REINHARD WOLFF
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