: Linkspartei kämpft für Aldi
In Bremen mobilisiert eine Bürgerinitiative – bis hin zu dem WASG-Bundestagsabgeordneten Axel Troost – für „ihren“ Aldi. Schuld an allem ist die Pfandrückgabe-Pflicht von Ex-Umweltminister Trittin
von Klaus Wolschner
Der Aldi ist der Tante Emma-Laden unserer modernen Zeiten. Jedenfalls der in der Bismarckstraße in Bremen. Als im März bekannt wurde, dass die Filiale Ende April geschlossen werden soll, gründete sich über Nacht eine Initiative und sammelte über 1.000 Unterschriften für „ihren“ Aldi. Und das in einem Stadtteil, der in Bremen „das Viertel“ heißt und bei Kommunalwahlen auf 30 bis 40 Prozent Grünen-Wähler kommt.
Jedenfalls bevor die vereinigte WASG/Linkspartei/PDS dort antrat. Denn auch der Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, Axel Troost, hat die Popularität des Kampfes für den Aldi erkannt und setzt sich für den Erhalt ein. „Gesetze und Vorschriften sollten nicht so ausgelegt werden, dass sich die Lebensumstände der Menschen dadurch deutlich verschlechtern“, hob er das konkrete Anliegen der Massen auf ein linkes theoretisches Niveau. „Der Laden ist in dem Kiez absolut verwurzelt“, sagt sein Büroleiter, der es wissen muss, weil er auch um die Ecke wohnt. Mit den Kassierern könne man auch mal einen Schwatz halten, weil man sie seit Jahren kenne, sagt er. Und samstags trifft man sich vorm Aldi.
Nun ist der zuständige Ortsamtsleiter des „Viertels“ ein Grüner, Robert Bücking. Der habe sich, beklagt sich die Linksfraktion, nicht für den Aldi eingesetzt, weil er offensichtlich im Interesse seiner Klientel darauf setze, dass ein Bioladen die Räume übernehmen kann.
Aber Bild hat mitgekämpft. „Wir kämpfen um unseren Aldi“, war die dicke Schlagzeile im März, und: „Gülsüm Sembale (37) kann sich ein Leben ohne ihren Aldi auch nicht vorstellen.“ Man wolle nicht für jeden Einkauf die Luft verpesten – ausgerechnet an dieser Ecke verstößt die Feinstaub-Konzentration in der Luft mehrfach im Jahr gegen geltende EU-Höchstgrenzen.
Den Todesstoß hat dem Geschäft ausgerechnet ein ökologischer Erfolg der rot-grünen Bundesregierung und des (aus Bremen stammenden) Umweltministers Jürgen Trittin gegeben: Als die Discounter verpflichtet wurden, alle Plastik-Flaschen zurückzunehmen, zog die Aldi-Zentrale die Reißleine. „Für Pfandautomaten ist da absolut kein Platz mehr“, sagt Guido Meyer von der Aldi-Regionalleitung. Schon vorher war der 30 Jahre alte Laden eigentlich zu klein, zu eng – und zu schmuddelig. Kein Platz für die modernen Tiefkühl-Zellen, kein Platz für die wöchentlichen Sonderangebote, mit denen der Discounter die Schnäppchenjäger lockt. Statt 400 Quadratmetern Verkaufsfläche mit heimeliger Tante-Emma-Atmosphäre braucht der moderne Aldi helle 700 Quadratmeter, wo ein Einkaufswagen nicht gleich den ganzen Gang versperrt.
Aldi hat der Viertel-Klientel eigentlich einen Gefallen getan: Die Immobilie hat Aldi an einen Bio-Supermarkt verkauft, der in Bremen schon ein Geschäft unterhält. Aber das hat die Aldi-Fraktion in dem Bremer Öko-Viertel offenbar nicht überzeugt. Über fehlende Fanpost kann sich der Discounter jedenfalls nicht beklagen. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung sei die Firmenstrategie, größere Geschäfte auf freien Flächen zu entwickeln, falsch, erklärte ein Kunde der Aldi-Zentrale – ältere Menschen wollen oder können eben nicht mit dem Auto losfahren, wenn sie Milch brauchen. „Herrlich überschaubar und bestens sortiert“ sei der Markt, konnte der Aldi-Regionalchef Guido Meyer lesen, und „die Kassierer sind freundlich und mit einigen bin ich seit meinem 5. Lebensjahr aufgewachsen“. Diese Filiale sei „der reinste Nachbarschafts-Treff“.
Meyer verwies seine treuen Kunden an den Bremer Bausenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU): Der genehmige für Aldi keine Ersatzfläche in der Nähe. Neumeyer behauptete allerdings in seinem Antwortbrief, seine Verwaltung sei „zu keinem Zeitpunkt“ mit dem Wunsch nach Erweiterung oder Verlagerung von Aldi befasst worden.
Und so müssen die ökologisch engagierten Viertel-Einkäufer von morgen an auf „ihren“ Aldi verzichten. Falls dort demnächst wirklich der Bio-Discounter eröffnet, werden sie aber wenigstens ihren Pfandautomaten bekommen.
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