WEISSRUSSLANDS DIKTATOR LUKASCHENKO SIND WESTLICHE APPELLE EGAL: Mit sanften Flötentönen gegen Minsk
Alexander Lukaschenko hat wieder zugeschlagen: Nach einer Demonstration zum Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl ließ er Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch festnehmen und zu 15 Tagen Haft verurteilen. Angeblich hatte dieser an einer nicht genehmigten Demonstration teilgenommen. Verlässlich wie immer reagierte der Westen sofort. Die Nato appellierte an Minsk „künftig solche Handlungen zu unterlassen“. US-Außenministerin Condoleezza Rice fand das Handeln des clownesken Tyrannen von Minsk gar „verabscheuungswürdig“. Ist dies der Ton, der geächteten Diktatoren Furcht einflößt? Wohl kaum.
Die Bitten im Stile Höherer-Töchter-Schulen des Fin de Siècle zeigt die Absurdität der Situation rund um Europas letztes autoritäres Freilaufgehege. Tatsächlich hat der Westen Weißrussland längst aufgegeben und sich mit der Lage dort abgefunden. Schärfere Maßnahmen gegen das Regime werfen Probleme auf und könnten sogar unerfreuliche Konsequenzen bei der Energieversorgung zeitigen. Das weiß Lukaschenko nur allzu gut. Daher lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Die Verhaftung Milinkewitschs ist denn auch eher ein Zeichen des wiedererlangten Selbstbewusstseins der weißrussischen Machthaber, die nach den gefälschten Parlamentswahlen im März zunächst ein wenig schwächelten. Verunsicherte Diktatoren kerkern ihre Gegner länger als 14 Tage ein. Lukaschenko hat keine Angst vor sanften Flötentönen aus dem Westen. Vielmehr signalisieren diese ihm jetzt, dass er weitermachen darf wie bisher. Längst international isoliert und geächtet, kann ihm einfach nicht viel mehr passieren.
Einen Wechsel in Minsk kann indessen nur Moskau einleiten. Verlangte Russland für Öl und Gas Preise wie von der Ukraine und Georgien – Lukaschenko hätte längst kalte Füße bekommen. Wladimir Putin wird jedoch einen Teufel tun, dem weißrussischen Regime das Wasser abzugraben. Als antidemokratische Galionsfigur macht Lukaschenko einen guten Job. Zudem ist er multifunktional einsetzbar. Zum Beispiel als potenzieller Preistreiber in der Energiepolitik. KLAUS-HELGE DONATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen