piwik no script img

SPD für Einbürgerungstests offen

Im Streit um das Einbürgerungsverfahren bemüht sich die große Koalition um eine Einigung: Die Union bietet an, Fragen von unabhängigen Experten ausarbeiten zu lassen. Die Sozialdemokraten lehnen Einbürgerungstests nicht grundsätzlich ab

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Soll es künftig Einbürgerungstests geben? Müssen Ausländer, die Deutsche werden möchten, Wissens- und Gewissensfragen beantworten? Noch vor wenigen Wochen debattierten die Berliner Regierungsparteien darüber äußerst kontrovers: Die Union für Tests, die SPD klar dagegen. Nun aber bewegen sich die Koalitionäre doch aufeinander zu.

Die Union bietet an, die Test-Fragen von unabhängigen Experten formulieren zu lassen. Die SPD wiederum lehnt die Einführung von Tests nicht mehr grundsätzlich ab. Vor der Konferenz der Innenminister aus Bund und Ländern, die am Donnerstag in Garmisch-Partenkirchen beginnt, ist Konsensbereitschaft angesagt. Schließlich will man Handlungsfähigkeit beweisen. So nahmen die Sozialdemokraten die neuesten Vorschläge der CDU/CSU auffallend verhalten auf. Empörte Reaktionen blieben diesmal aus, obwohl sich die Unions-Innenminister erneut für die Einführung von Tests stark gemacht und weitere Verschärfungen der Einbürgerungs-Regeln gefordert hatten. „Das wird differenziert zu betrachten sein“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, gestern der taz. Die Union habe „wohl etwas kapiert“, nämlich, dass sie mit ihren weitreichenden Ideen, die sie zu Beginn des Jahres präsentierte, nicht durchkommen werde.

Die Unionsminister hatten Ende vergangener Woche erklärt, wer eingebürgert werden wolle, müsse „staatsbürgerliches Grundwissen“ nachweisen und zeigen, dass er „die fundamentalen Werte unserer Verfassung kennt und anerkennt“. Was das konkret bedeutet, ließen sie zwar offen. Doch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) bemühte sich als Gastgeber der Ministerkonferenz um eine Moderatoren-Rolle und fügte ein Angebot hinzu: Die Testfragen könnten von externen Institutionen wie etwa Akademien für politische Bildung ausgearbeitet werden. „Damit kommt man aus dem politischen Streit etwas heraus“, erklärte Beckstein – und stieß bei Wiefelspütz auf positive Resonanz. Auch er möchte „außerstaatliche Bildungseinrichtungen beteiligen“. Nach den Signalen der Union glaubt der SPD-Politiker: „Die unselige Fragebogendebatte ist vorbei.“ Die Union wisse: Gesinnungsfragen, wie sie die CDU in Baden-Württemberg stellen lässt, seien für die SPD ebenso indiskutabel wie das detaillierte Stadt-Land-Fluss-Quiz der hessischen CDU-Regierung. „Es darf nicht diesen abschreckenden, abwehrenden Charakter haben.“ Für die SPD stehe im Vordergrund, für Einbürgerung zu werben und Migranten attraktive Angebote zu machen, sagte Wiefelspütz. „Für uns ist es ein positives Zeichen, wenn jemand Deutscher werden möchte.“ Aber auch die SPD sei für das Motto „Fördern und Fordern“. Bei den Verhandlungen der Koalitionspartner müsse sichergestellt werden, dass es künftig ausreichende Integrationskurse für alle gebe. Dann kann es nach Ansicht des SPD-Politikers auch Prüfungen geben. „Die bloße Anwesenheit in einem Kurs reicht natürlich nicht aus.“ Man müsse schon feststellen, ob der Kurs mit Erfolg besucht worden sei. „Das kann dann auch ein Test sein.“

Bei aller Kompromissbereitschaft dürfte es in Garmisch-Partenkirchen weitere Streitpunkte geben. So lehnt die SPD den Unions-Vorschlag ab, neue rechtliche Hürden zu errichten. Nach dem Willen der Union soll eine Einbürgerung unmöglich sein, wenn der Bewerber zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde – bisher liegt die Grenze bei 180 Tagessätzen. „Dabei sollte es bleiben“, sagte Wiefelspütz und erinnerte daran, dass der Promi-Rechtsanwalt Rolf Bossi gerade zu 90 Tagessätzen verurteilt wurde – wegen Fahrens ohne Führerschein. „So etwas kann doch kein Einbürgerungshindernis sein.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen