: „Bederlay Geslechts“
AUSSTELLUNG In der Galerie Herold am ehemaligen Güterbahnhof erforscht Ins A Kromminga mit künstlerischen Mitteln den alten Mythos von der zweigeschlechtlichen Welt
VON JAN ZIER
Künstlerin? Oder Künstler? Schon die Frage ist falsch. Ins A Kromminga ist beides. Und keines von beidem. Nicht Mann oder Frau. Kromminga, als Insa geboren, will sich nicht für das eine oder andere entscheiden müssen. „Für mich brauche ich das nicht. Ich bin Mensch.“
Die stete Frage der Umwelt nach dem Geschlecht entlarvt – und zwar vor allem den ebenso gängigen wie meist unreflektierten Mythos der Zweigeschlechtlichkeit. Genau darum geht es: „Ettlich Sind Bederlay Geslechts“ heißt Krommingas Ausstellung, die gestern Abend in der Galerie Herold im Künstlerhaus Güterabfertigung eröffnet wurde. Und doch zugleich ein ganzes künstlerisches Lebensthema widerspiegelt. Immer wieder geht es bei Kromminga um die Spannung zwischen einer kulturell auf zwei eindeutige Geschlechter fixierten Gesellschaft und deren Bereicherung durch hermaphroditische Identitäten. Der Titel ist dabei ein Zitat aus der Schedelschen Weltchronik von 1493, in der die Geschichte der Welt in sieben Weltaltern dargestellt wurde. Hermaphroditen, wie Kromminga sie, sich nennt, dabei die heute übliche Rede von den Intersexuellen bewusst vermeidend, Hermaphroditen also waren seinerzeit noch „Monster“ oder „Wunder“, so Kromminga, sicherlich aber: „ein Fehler“ der Natur. Und heute?
Immer wieder tauchen in Krommingas Arbeiten solche kulturhistorische Referenzen auf, etwa das ‚Monster von Ravenna‘, eine aus medizinischen wie mythologischen Komponenten bestehende Figur aus dem 15. Jahrhundert. Auch bei Kromminga ist sie zu einem Fabelwesen mutiert (siehe nebenstehendes Bild), und doch hat es seinen Ursprung vermutlich in einer realen Geburt. Kromminga erforscht mit künstlerischen Mitteln die Legende der bipolaren Gesellschaft und ihr Verhältnis zu intersexuellen Identitäten. Oft in raumbezogenen Arbeiten, meist in Zeichnungen, seit neuestem auch in zum Teil sehr expliziten fotografischen Arbeiten.
Kromminga verfolgt dabei einen durchaus aufklärerischen, aber nie aufdringlichen Ansatz, rückt nicht sich selbst in den Vordergrund, auch wenn die eigene Intersexualität freilich Krommingas künstlerischer Bezugspunkt ist und bleibt. Bisweilen werden die BetrachterInnen mit impliziten Fragen konfrontiert, etwa in der ebenfalls geschichtlich unterfütterten Wandarbeit „Der Himmel der Hermaphroditen“. Was ist das – bloß ein Titel? Eine Drohung? Eine Verheißung? Politische Aktionskunst jedenfalls sähe anders aus. Gut so.
Dass Krominga dabei in der Galerie Herold am ehemaligen Güterbahnhof ausstellt, ist kein Zufall. Sondern eine Art „Heimspiel“. In den Neunziger Jahren hat Kromminga, ursprünglich aus Ostfriesland kommend, in Bremen studiert und selbst auf dem Areal der ehemaligen Güterabfertigung gelebt und gearbeitet. Auf gut 2.300 Quadratmetern sind dort mittlerweile gut 60 Ateliers. Betrieben werden sie von über 100 bildenden KünstlerInnen, die seit 1997 selbstverwaltet im Verein „23 zur Förderung intermedialen Kulturaustausches“ zusammen geschlossen sind – und vom Kulturessort nur mit wenig Geld bedacht werden. Die Galerie Herold gibt es indes schon länger, sie wurde 1994 in der einstigen Ateliergemeinschaft „Güldenhaus“ gegründet, arbeitet ideell und ehrenamtlich, versammelt immer wieder, aber bei weitem eben nicht nur Leute aus dem eigenen Umfeld. Manch einer, der einst dort zu sehen war, hat mittlerweile auch anderswo einen Namen.
■ Bis 30. Mai in der Galerie Herold im Künstlerhaus Güterabfertigung, Beim Handelsmuseum 9, Bremen
Öffnungszeiten: Sonntag von 15 bis 18 Uhr, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag von 16 bis 19 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen