piwik no script img

„Wir können zum Orionnebel fliegen“

PLANETARIUM Der neue Chef will aus dem Sternentheater in Prenzlauer Berg ein Kulturzentrum machen und es technisch ins 21. Jahrhundert beamen

Tim Horn

■ 31, ist Leiter des Zeiss-Planetariums. Schon zu Schulzeiten war er Kartenabreißer in einem Planetarium. Zuletzt arbeitete er für ein Planetarium in San Francisco.

INTERVIEW GESA STEEGER

taz: Herr Horn, im Juni haben Sie die Leitung des Zeiss-Großplanetariums in Prenzlauer Berg übernommen. Wie sieht die Zukunft des Sternentheaters aus?

Tim Horn: Ich möchte es zu einem modernen Wissenschaftstheater erweitern. Inhaltlich soll es das modernste Sternentheater Europas werden. Und ich möchte das Gebäude als Kulturzentrum etablieren. Es gibt ja nicht nur die Kuppel, sondern auch ein Kino und ein ungenutztes Restaurant. All das würde ich gerne wieder beleben mit Lesungen, Konzerten und Vorträgen.

Das sind große Pläne!

Um sie zu realisieren, werden wir Anfang 2014 das Planetarium für etwa ein Jahr schließen und inhaltlich als auch technisch modernisieren.

Wie wird diese Modernisierung aussehen?

Inhaltlich soll das Sternentheater bunter und abwechslungsreicher, aber auch wissenschaftlich fundierter werden. Das Programm soll interaktiver und damit attraktiver für die Besucher werden. Was es auf jeden Fall geben wird, ist ein Programm mit dem schönen Namen „Sterne über Berlin“.

Was hat es damit auf sich?

Da geht es um die besondere Stellung der Stadt in der Geschichte der Astronomie. Albert Einstein hat in Berlin seinen ersten Vortrag über die Allgemeine Relativitätstheorie gehalten. Der Planet Neptun wurde von Berlin aus entdeckt. Und da gibt es noch viele wunderschöne Geschichten zu erzählen.

„Der Planet Neptun wurde von Berlin aus entdeckt“

Und welche technischen Veränderungen sind geplant?

Mithilfe von Landesmitteln werden wir die veraltete Technik auf den neusten Stand bringen. Bisher lief die Projektion mit 69 Diaprojektoren und einem Sternenprojektor. Das heißt konkret: Standbild und eher traditionelles Planetarium. In Zukunft werden wir eine digitale Planetariumsanlage in Betrieb haben: mit mehreren Beamern, die, wenn sie zusammengeschaltet sind, die ganze Kuppel mit einem digitalen Bild füllen werden.

Was bringt das?

Es wird möglich sein, virtuell durchs Universum zu reisen. Die Besucher können sich den Pluto angucken oder sie können zum Sternsystem Alpha Centauri fliegen. Begleitet werden sie dabei von Astronomen, die sie live durch die Wunder des Universums mitnehmen. Wenn es neue Entdeckungen gibt, etwa ein neues Panorama vom Mars, dann kann ich das in Zukunft in das digitale System laden und zehn Minuten später mit den Besuchern dort hinfliegen und an der richtigen Stelle im Kosmos angucken.

Das heißt, Sie sind dann auch näher an den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen?

Ja. Wir wollen eben kein Museum der Sterne sein, sondern direkt mit den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Kosmos arbeiten. Ich würde mit diesem Planetarium gerne eine Brücke bauen zwischen der Wissenschaft und den Besuchern. Theorien über die Entstehung der Erde und die Entstehung des Lebens sollen hier verständlich dargestellt werden.

Das Planetarium

■ Eröffnet wird das Zeiss-Großplanetarium in Prenzlauer Berg am 9. Oktober 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins. Anwesend ist die gesamte SED-Parteispitze. Mit seinem Außenkuppel-Durchmesser von 30 Metern und einem Innenkuppel-Durchmesser von 23 Metern gehört es bis heute zu den größten Planetarien Europas.

■ Seit 2002 ist das Planetarium Teil der Stiftung Deutsches Technikmuseum, zu der auch die Archenhold Sternwarte gehört. Zudem gibt es ein weiteres Sternentheater in Berlin: das Planetarium am Insulaner in Steglitz. Anfang 2014 wird das Planetarium wegen Umbaumaßnahmen schließen und erst 2015 wieder geöffnet.

■ Das Herzstück des Hauses ist ein computergesteuerter Planetariumsprojektor vom Typ Cosmorama der Firma Carl Zeiss in Jena. Dieser wird auch nach der Modernisierung erhalten bleiben und einen Ehrenplatz im Foyer des Planetariums erhalten. (gs)

Ein Planetarium hat also auch eine gesellschaftliche Aufgabe?

Auf jeden Fall! Ich glaube, Astronomie ist ein tolles Thema, weil Sie darüber eigentlich in alle wissenschaftlichen Bereiche kommen. Wenn Sie über Raumfahrt sprechen, sprechen Sie auch über Medizin. Wenn Sie über Sternentwicklung sprechen, sprechen Sie über Chemie und letztendlich über die Entstehung des Lebens. Insofern kann man da große Geschichten erzählen, die die Grundfragen der Menschheit beantworten.

Aber ist ein Sternentheater in Zeiten von Kino und Internet überhaupt noch zeitgemäß?

Was ein Sternentheater, ein digitales Planetarium, bietet, ist ein einmaliges 360-Grad-Erlebnis. Das heißt, die Besucher haben den Eindruck, mitten im Bild zu sitzen. Dieses Gefühl haben sie nicht im Imax, nicht im Kino und nicht zu Hause vor dem Computerschirm. Im Planetarium können wir wirklich zum Orionnebel fliegen oder in die Blutbahn eines Menschen eintauchen. Das ist mit nichts zu vergleichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen