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„Meine Vision für das Bremer Theater“

Der designierte neue Bremer Generalintendant Hans-Joachim Frey hat in einem Thesenpapier sein „neues Bremer Theatermodell“ dargestellt. Mit der Kürzung des Etats will er sich abfinden und bei den Strukturen sparen. „Internationales Kulturforum Bremer Theater“ soll die neue Marke sein

„Meine Vision für das Bremer Theater ist ein Internationales Kulturforum Bremer Theater. Internationale Projekte und überregionale Ausrichtung, verbunden mit lokaler Identifikation.“ Mit diesen Worten hat der zukünftige Bremer Intendant Hans-Joachim Frey sein Konzept in einem Thesenpapier beschrieben, das die Zeitschrift „crescendo“ in ihrer neuen Ausgabe dokumentieren wird. Ein Etat, in dem 92 Prozent über Personalkosten festgeschrieben sind und durch eigene Einnahmen nur 15 Prozent Kostendeckung eingespielt werden, sei kulturpolitisch eine „Falle“, formuliert Frey. Da vom öffentlichen Theaterträger nicht mehr, sondern eher weniger Geld erwartet werden kann, müssten „neue Instrumente und neue Strukturen“ entwickelt werden, nichts weniger als ein „neues Bremer Theatermodell“ müsse gelingen. Von dem staatlichen Träger des Theaters erwartet er dabei wenig – außer Kürzungen. „Ich denke, wir Kulturschaffenden müssen in Deutschland inzwischen die Antworten auf die Probleme der Zukunftssicherung selber geben und Strukturen schaffen, in denen die Möglichkeiten freigesetzt werden, die Theater als öffentliche gesellschaftsbildende Institution hat.“

Mit den Mitarbeitern im Bremer Theater hat Frey seine Vision noch nicht ausführlicher besprochen – derzeit finden vor allem Einzelgespräche statt, weil viele Verträge mit der Spielzeit von Klaus Pierwoß im Herbst 2007 enden, wenn sie nicht noch von Frey verlängert werden. Auch für die Mitarbeiter des Theaters ist die Gesamtschau der Ziele ihres neuen Intendanten also neu.

Vier Eckpunkte sind dem Frey-Text zu entnehmen:

1. Das Theater insgesamt, aber auch die einzelnen Spielstätten sollen sich ein Profil erarbeiten, das „Identifikationsmöglichkeiten“ bietet – auch für mögliche Sponsoren. Jede Spielzeit soll in Zukunft einer bestimmten „Nation zugeordnet werden“: „Bremen als weltoffene deutsche Stadt präsentiert sich so in Verbindung mit jeweils einem europäischen und einem außereuropäischen Partnerland.“

2. Traditionell wird an den meisten deutschen Theatern und auch in Bremen ein „Repertoire“ über Monate gespielt. Dafür müssen Bühnenbilder und Schauspieler vorgehalten werden und das ist teuer: „Viele der großen Repertoire-Tempel wird es künftig nicht mehr geben“, sagt Frey, „Apparate mit 92 Prozent Personalkosten sind nicht mehr haltbar.“ Das Gegenmodell basiert auf dem Konzept, Stücke „en bloc“ über einige Tage zu spielen und dann ganz abzusetzen. Dann muss das Bühnenbild nur einmal aufgebaut werden, wenn Schauspieler oder für Opern SängerInnen engagiert werden, wäre dies auch nur „en bloc“ für einige Tage oder Wochen erforderlich. Nach dem Block ist die Bühne dann idealtypisch frei für die Proben am nächsten Stück.

3. Damit zusammen hängt ein Prinzip, das italienisch „stagione“ genannt wird. Frey spricht von „Semi-Stagione“. In Nachbarländern wie Italien oder Frankreich werden Künstler insbesondere im Opernbereich mehr als in Deutschland nur für einzelne Engagements verpflichtet. „Freie“ Künstler auf Honorar-Basis für bestimmte Projekte zu engagieren ist natürlich preiswerter als fest angestellte zu bezahlen und einigermaßen regelmäßig auszulasten.

4. Schließlich will Frey sehr viel mehr als bisher kooperieren in dem Sinne, dass Stücke – wie das derzeit bei Musicals der Fall ist – „wandern“. In diesem Sinne sucht er Bühnen, die in etwa die Größe des Bremer Theaters und Interesse an einem künstlerischen Tauschhandel haben. Immer fällt in diesem Zusammenhang der Name Oldenburg.

Klar ist, dass Frey stärker auf die Marketing-Seite der Theaterarbeit achten will. „Die Konkurrenz des Theaters gegenüber dem Kino, den Medien in einer Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft ist sehr groß geworden“, formuliert er. „Die Selbstverständlichkeit, mit der bis vor einigen Jahren Kultur und Theater rezipiert wurden, nimmt ab. Auch dieser Umstand erfordert neue Wege und Antworten. Darin liegt für mich die spannende Herausforderung meiner neuen Tätigkeit am Bremer Theater.“ Neue Antworten sollen gegeben werden, im Zentrum soll eine „Abteilung Development“ stehen: „Hier liegt der Kern der Innovation.“ Das Theater soll „ins Zentrum der Bremer Bürgergesellschaft“ gestellt werden.

Seinem Vorgänger Klaus Pierwoß bescheinigt Frey, dass er „in seiner Ära an die große Bremer Theatertradition angeknüpft“ habe. Nur einen keinen Schlenker gönnt er sich auf die Tatsache, dass Pierwoß für die in seinem Vertrag zugesicherte Finanzausstattung des Theaters kämpft und Kürzungen nicht hinnehmen will: „Wir wissen alle, dass die öffentliche Hand in Deutschland auch in Zukunft nicht mehr Geld zur Verfügung haben wird ... Dies führt zwangsläufig zu drastischen Sparmaßnahmen – auch an den Theatern. So ist dies auch seit Jahren in Bremen, wo Generalintendant Klaus Pierwoß gerade sehr medienwirksam seinen (!) dritten Bremer Theatertod verkündet – als Antwort auf die erneuten Kürzungen durch die Stadt Bremen sowie auf die plötzliche Erkenntnis, dass das Theater einen Schuldenberg von über 4,5 Millionen angehäuft hat.“

In Bremer Theaterkreisen gibt es erhebliche Zweifel, ob das „neue Bremer Theatermodell“ funktionieren kann. Wenn der entscheidende Kostenblock – Personalkosten – ohne drastische Einsparungen an den Künstler-Gagen wesentlich reduziert werden soll, dann müsste das Theater aus dem Deutschen Bühnenverein und damit aus dem geltenden Tarifsystem austreten – sonst kann kein Personal abgebaut werden. Auch die Idee, Profil durch Zuordnung zu Nationen zu gewinnen, wird bestenfalls als Marketing-Gag bewertet: Der Nationen-Begriff spielt im Theater keine Rolle. Wen interessiert „dänisches Theater“? Oder französisches?

Und schließlich ist vor Jahren am Bremer Theater versucht worden, durch Ensuite-Spielen Geld zu sparen. Die Zuschauer-Zahlen sind damals drastisch eingebrochen. Techniker-Kosten werden dabei nur gespart, wenn Personal entlassen werden kann.

Auf Freys Kooperationspartner ist man derweil gespannt. In Deutschland gibt es bisher kein Stadttheater, das „en suite“ oder „semi-stagione“ spielen würde. Voraussetzung für wesentliche Kosteneinsparungen wäre aber, dass auch andere Bühnen eigene Produktionen sparen und die durch „En suite“-Gastspiele ersetzen wollen. Bisher sind Gastspiele eher zusätzliche Aufführungen und sparen nicht, sondern kosten Geld.

Klaus Wolschner

„crescendo“ ist eine kostenlose Klassik-Zeitung, deren Relaunch am 15.Mai mit dem Frey-Text erscheint. Wir dokumentieren den vollständigen Frey-Text unter www.mehr-dazu.de.

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