: Dein Lied ist dein Ego
Das Derby als Sängerkrieg: Die Identitäts-Konzepte der Fan-Hymnen sind alles andere als unproblematisch
Philologische Annäherungen an Fan-Hymnen sind rar. Bedauerlich, sind ihre Verse doch Ausdrucks-Angebote für eine gewählte kollektive Identität. Angebot ist in dem Zusammenhang wichtig, denn auch Hymnen können scheitern: Die Annahme durch die Fans entscheidet, ob Text und Melodie das unartikulierte Selbstverständnis der Masse spiegeln. So lässt sich in Bremen beobachten, dass die zum Doublegewinn 2004 installierte Hymne „Was für ein Jahr…“ gesungen wird, ohne das alte Lied mit seinen „Jahren voller Frust“ und dem emblematischen Ach und „W[eh] auf dem Trikot“ ganz zu verdrängen. Das neue Bremer Lied versucht den Triumph auf eine maximale Zeitspanne zu dehnen, „lebenslang“, soll der Satz „Wir sind Meister und hol’n den Pokal“ gelten. Alternativlos würde dieses verordnete positive-thinking im Katastrophenfall (Uefa-Cup) zur Identitäts-Krise führen. Der kluge Bremen-Anhänger aber hält sich sein elegisches Hintertürchen offen.
Ganz anders die Lage beim HSV. Die neue Hymne ist nicht „von oben“ eingesetzt. Sie hat das choralartige „Hamburgs Nestor auf dem Rasen…“ in der desolaten Saison 2003 abgelöst: Reine Wunschträume formulierte der Song von Szene-Größe Lotto King Karl damals. Die Text-Strategie des Durchhalte-Liedes ist so simpel wie wirkungsvoll: Einprägsame Wort-Wiederholungen am Versanfang (Anaphern) vertiefen die Differenz zwischen „Du“ (1. / 3.Str.) und „Ich“ (2./4. Str.). Tenor: Die Dus müssen kleingemacht, ja angeschissen werden, das Ich suhlt sich in Heimatseligkeit. Transportiert wird so ein klassisches, auf Abgrenzung beruhendes Identitätskonzept mit Hang zu fremdenfeindlichen Tönen: „Wenn du aus Cottbus kommst, kommst du eigentlich aus Polen“ – das Tor zur Welt wird Neuankömmlingen gern vor der Nase zugeschlagen. bes
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