piwik no script img

Keine Subvention für Astronauten

Statt in Armutsprojekte fließt die deutsche Hilfe immer mehr in den bürokratischen Apparat der Kommunisten. Und denen mangelt es nicht an Geld

AUS PEKING GEORG BLUME

Deutsche Entwicklungshilfe und chinesisches Wirtschaftswachstum – wie geht das zusammen? Braucht ein China, das sich auf seinen ersten Mondflug vorbereitet und eine zweite Transrapidtrasse plant, noch deutsche Almosen? Vor dem Antrittsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in Peking stellt ein neuer Streit die Chinapolitik der großen Koalition in Frage. Die Kritik kommt aus Merkels eigenen Reihen: „Die Assoziation Chinas als Entwicklungshilfeempfänger ist eine irreführende Verniedlichung. Ich sehe China als Global Player“, protestiert der CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter im taz-Interview gegen den Status quo deutscher Chinapolitik.

Der sparsame Bundestagsabgeordnete aus Minden forderte schon im März die Einstellung deutscher Entwicklungshilfe für die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt. Statt als Hilfsempfänger sieht er China lieber am G 8-Tisch. Eine Aufwertung des Chinadialogs nennt er das. Was aber macht Berlin? Es zahlte China 2005 mit 68 Millionen Euro eine der größten Summen aus dem deutschen Entwicklungshilfeetat. In diesem Jahr werden die meisten Programme fortgesetzt. Und das, obwohl Merkel jetzt in Peking der Unterzeichnung milliardenschwerer Wirtschaftsverträge beiwohnen wird, darunter wahrscheinlich ein neues Transrapid-Projekt.

Kampeters Kritik findet in der CDU ein zunehmend positives Echo. „China verfügt über die größten Währungsreserven der Welt und zahlt selbst bereits Entwicklungshilfe. Generell ist unsere Entwicklungshilfe darum überprüfungsbedürftig“, fordert Eckard von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, gegenüber der taz. Von Klaeden führt eine in Deutschland lange Zeit verschlafene Diskussion. Schon nach dem Erfolg von Chinas erster bemannter Weltraummission im September 2003 titelte das Londoner Wirtschaftsmagazin Economist: „Glückwunsch, China! Also keine Entwicklungshilfe mehr nötig?“

Inzwischen aber erreicht die Debatte auch die Fraktionsspitze von CDU/CSU. Unter Federführung ihres Vorsitzenden Volker Kauder entschied die Fraktion in dieser Woche, die Entwicklungshilfe an China kritisch zu evaluieren, teilten Fraktionskreise am Donnerstag mit. Zugleich wolle man ein umfangreiches Asienkonzept entwickeln. Ein Ziel dabei sei klar – weniger Geld für China.

Die Diskussion fügt sich in einen internationalen Kontext, in dem die positiven Auswirkungen von Entwicklungshilfe generell hinterfragt werden. Die Hilfe sei zumeist eher bürokratisch erstickend als gesellschaftlich ermutigend, schrieb kürzlich sogar der linke indische Entwicklungsökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen. Genau dieser Vorwurf trifft auch die deutsche Entwicklungshilfe in China: Denn statt in Armutsprojekte fließt seit einigen Jahren das meiste Geld in die bürokratische Beratung der in China regierenden Kommunisten.

Zur Klärung der Lage war im April eine Delegation des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in China unterwegs. Ihr Leiter, der FDP-Bundestagsabgeordnete Hellmut Königshaus, sieht sich seither in seiner Kritik an der deutschen Entwicklungshilfe bestätigt. „China fehlt es nicht an Geld, jedenfalls nicht mehr als Deutschland“, urteilt Königshaus und betont, dass sich China neben einem Raumfahrtprogramm auch noch eine Formel-1-Strecke leiste und gegen Taiwan aufrüste.

SPD und Grüne sehen die Sache anders. SPD-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul meint, es gehe in China nicht um traditionelle Entwicklungspolitik, stattdessen um „marktnahe Vorgaben für Pilotprojekte etwa bei innovativen Energietechnologien“. Reinhard Bütikofer, der als Bundesvorsitzender der Grünen kürzlich ebenfalls China bereiste, sieht die Volksrepublik noch als Entwicklungsland. „Wenn man sieht, wie dramatisch die Umweltprobleme sind, macht es Sinn, nach allen Kräften mitzuhelfen, dass sich China nicht in der Sackgasse der Umweltzerstörung verrennt“, sagt Bütikofer.

In Peking reagieren deutsche Entwicklungshelfer bisher eher gelassen auf die Debatte. „Die Chinesen sind doch auf unser Geld gar nicht angewiesen, für die sind das Peanuts“, beobachtet Astrid Skala-Kuhmann, Leiterin der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in China. Es gehe für Deutschland darum, in China vertreten zu sein. „Wenn wir Angst vor der chinesischen Entwicklung haben und Einfluss nehmen wollen, dann müssen wir hier bleiben“, meint Skala-Kuhmann. Doch die Angriffe wehrt sie damit nicht ab. Für CDU-Sprecher von Klaeden ist Entwicklungshilfe genau die falsche Form, eigene Interessen in China zu wahren. Deutsche Unternehmen dürften so nicht subventioniert werden. Auch könne die Entwicklungshilfe im Umweltbereich in China nicht mehr viel ausrichten. Symbolpolitik im zweistelligen Millionenbereich aber könne sich Deutschland nicht leisten, so von Klaeden. „Die chinesische Seite kann für deutsche Leistungen auch bezahlen“, fordert von Klaeden.

Ob Bundeskanzlerin Merkel die Kritik im Geheimen teilt? Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um den Wandel von der „Belehrungs- zur Lerngesellschaft“, wie ihn der deutsche Soziologe Wolf Lepenies seit Jahren fordert. „Statt belehrende Entwicklungshilfe an China zu zahlen, sollten wir im Sinne einer Lerngesellschaft die mäßig ausgestattete Sinologie an deutschen Universitäten fördern“, schlägt Karl-Heinz-Pohl, Sinologieprofessor an der Universität Trier, vor. Doch Gastgeschenke sehen anders aus. Dass Merkel schon am Montag bei ihrem Antrittsbesuch in Peking eine Streichliste für die deutsche Entwicklungshilfe präsentiert, ist unwahrscheinlich. Die Zeit der Großzügigkeit könnte dennoch bald ablaufen. Für den Economist war die Sache schon vor zwei Jahren klar: „China mag noch ein armes, wenngleich schnell wachsendes Land sein, aber wenn es sein Geld für Weltraumreisen ausgibt, kann es für andere keinen guten Grund geben, das zu subventionieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen