schwarzgelbes jahr: Ein Gefühl von Abstieg
Am Montag jährt sich der Wahlsieg von CDU und FDP zum ersten Mal. Das Ende von 39 sozialdemokratischen Regierungsjahren konnte man sich in Nordrhein-Westfalen zuvor nur als eine gewaltige Zäsur vorstellen. Doch nun fühlt es sich eher an wie ein Abstieg in die Zweite Liga: Die Gegner sind schlechter, das öffentliche Interesse nimmt ab, es riecht nach Sportplatz und Bratwürsten – und die besten Profis spielen längst schon in Berlin.
KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN
Die Beiläufigkeit des Wechsels hat die neue Landesregierung freilich nicht allein zu verantworten. Schon am Wahlabend waren dem Sieger Jürgen Rüttgers nur Sekunden des Triumphs vergönnt, dann herrschte schon der Berliner Vorwahlkampf um Schröder und Merkel. Dass das schwarzgelbe NRW nicht zur bündnispolitischen Modellregion wurde, dass FDP und CDU im Bund keine Mehrheit fanden, daran sind Rüttgers und die Seinen nicht unschuldig: Ein besseres Wahlergebnis der Nordrhein-Westfalen-CDU für den Bundestag hätte die große Koalition verhindert. Stattdessen haben die Neigungspartner CDU und FDP seither in Bund und Land verschiedene Rollen.
Zerrissen zwischen Parteitaktik und Aufbruchangst ist Regieren in NRW wieder einmal zur Kleinkunst des Machbaren geschrumpft: Zwei Generationen SPD haben nicht nur beim Personal Spuren hinterlassen. Es wurde auch fast alles einmal ausprobiert. So hört man dieser Tage Landtagsdebatten, als ob die Sprechzettel der Teilnehmenden vertauscht wurden: Die einfallslose SPD hält Schwarzgelb ausgerechnet Mittelkürzungen vor, die sie selbst auch vornahm. Hebt sich die Landesregierung nicht ab vom Niveau der Gegner, macht sie sich nicht los von bundespolitischen Fesseln, wird es nichts mit Aufstieg und langer Amtszeit. Spürbares gibt es bisher nur bei Studiengebühren und Hochschulstrukturen.
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