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Jugend geht in medias res

Bei den Jugendmedientagen diskutieren 600 Nachwuchsjournalisten gesellschaftspolitische Fragen. In Workshops lernen sie den Redaktionsalltag kennen. Und lernen: Zeitung machen muss flott gehen

Von Julia Tenner

Das Motto der Jugendmedientage war provokant formuliert: „Jugend und Politik – (k)ein Auslaufmodell?!“ 600 junge Medienmacher aus ganz Deutschland waren gekommen, um in den vergangenen vier Tagen diese Frage zu diskutieren. Bei den Medientagen hatten sie zudem die seltene Gelegenheit, mit 150 Referenten aus Kunst, Politik und Medien Kontakte zu knüpfen, hinter die Kulissen des Bundestages zu blicken und den Alltag von Journalisten und Politikern hautnah mitzuerleben. Die Teilnehmer der Medientage sind Schüler- und Jugendzeitungsredakteure, sowie junge Internet-, Fernseh- und Radiomacher, deren Beiträge zum Thema „Zukunft“ von einer unabhängigen Fachjury aus 1.400 Einsendungen ausgewählt wurden.

Eröffnet wurden die Jugendmedientage am Donnerstagabend in der Akademie der Künste von Susanne Kastner (SPD), der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Im Anschluss daran stimmten in einer Diskussion der Aktionskünstler Christoph Schlingensief, Journalistenlegende Günter Wallraff, der neue Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, und Tim Renner, der Chef des Radiosenders Motor FM, die Jugendlichen auf die Widersprüchlichkeiten der kommenden Tage ein. Thema ihre Diskussion: die Beziehung zwischen Kunst und Politik. Schlingensief erklärte, ein „Publikumsverarscher“ zu sein, dabei aber durchaus ernste Themen anzusprechen. Wallraff schimpfte in gewohnter Manier über die Bild-Zeitung. Er gab aber zu: „Sich mit dem Springer-Konzern anzulegen ist politischer Selbstmord.“

Die jungen Medienmacher hatten in den folgenden Tagen die Chance, durch Praxisworkshops, Pressegespräche bei den Bundestagsfraktionen und Debatten einerseits ein breit gefächertes Themenspektrum abzuarbeiten. Andererseits bekamen sie einen Einblick in den Redaktionsalltag und den Hauptstadtjournalismus. So bot sich ihnen unter anderem die Möglichkeit, in einer von über 20 Redaktionen in der Stadt, darunter denen der Zeit, des Stern und der taz, Sonderausgaben zu produzieren. „Es ist interessant, in wie wenig Zeit man so viele Seiten füllen kann“, bemerkte ein Teilnehmer nach der Produktion einer (simulierten) taz-Ausgabe.

Obendrein diskutierten die Jungjournalisten in den Ausschusssälen des Bundestages mit Spitzenpolitikern wie dem SPD-Fraktionschef Peter Struck, dem Bundespräsidenten Norbert Lammert, FDP-Generalsekretär Dirk Niebel und dem Ersten parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU, Norbert Röttgen. Überraschend dabei war für viele, dass Politiker sich nicht immer ganz ernst nehmen und auch frei zugeben, nicht alle Wahlversprechen halten zu können.

Um so viel Erkenntnisse wie möglich über ihren Traumjob zu gewinnen, hatten die Teilnehmern überdies noch die Möglichkeit, Medienvertreter wie die ARD-Moderatorin Sandra Maischberger oder den Leiter des Stern-Hauptstadtbüros, Hans-Ulrich Jörges, zu fragen, wie deren Weg in den Journalismus aussah. Außerdem stand ein Zusammentreffen mit 370 jungen Amerikanern des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms im Bundestag auf dem Programm.

Den Schlusspunkt der Jugendmedientage bildeten die Präsentation der selbst produzierten Medienerzeugnisse gestern Nachmittag sowie die Abschlussdiskussion mit Vertretern der Bundestagsfraktionen im Plenarsaal. Doch trotz aller Debatten: Am Schluss überwog bei vielen Teilnehmern der Eindruck, von der Politik nicht ausreichend ernst genommen zu werden.

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