piwik no script img

Erneuter Warnschuss für Gasversorger

Die Bremer Stadtwerke haben ihre Gaspreise in drei Jahren viermal erhöht. Zu Unrecht, befindet ein Gericht und erklärt den Preisanstieg für unwirksam. Die Vertragsklausel sei undurchschaubar. Das Urteil könnte bundesweite Bedeutung erlangen

Aus Bremen K. WOLSCHNER

Die Warnung an die deutschen Gasversorger ist deutlich. Am Mittwoch urteilte das Bremer Landgericht, dass sämtliche Preiserhöhungen der Bremer Stadtwerke (swb) der vergangenen drei Jahre unwirksam sind. Die Preisanpassungs-Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verträge von 58 Klägern seien nicht präzise genug und damit nichtig. Der Richterspruch könnte bundesweite Bedeutung erlangen, wenn sich andere Gerichte der Rechtsauffassung anschließen. Nach Einschätzung der Bremer Verbraucherzentrale ist das gut möglich, weil die Mehrzahl der Energieversorger vergleichbare Klauseln benutzt. (Az.: 8-O-1065/05)

Die 58 Bremer Kläger müssen allerdings noch abwarten, ob sie ihr Geld nun zurückbekommen. Swb-Sprecherin Marlene Odenbach sagte noch im Gerichtssaal, dass das Unternehmen in die Berufung gehen wolle.

Preisanpassungsklauseln, so erklärte die Richterin dem zahlreich erschienenen Prozesspublikum, müssten für die Kunden klar und verständlich sein. Sie müssten ihnen ermöglichen, die Berechtigung einer Preiserhöhung anhand der Klausel selbst zu prüfen. Das Gericht wies dabei explizit auf das so genannte Flüssiggas-Urteil des Bundesgerichtshofs hin. Dieser hatte 2004 entschieden, dass für einen langfristig gebundenen Kunden bei Abschluss des Vertrages ersichtlich sein müsse, wie weit sich der Preis erhöhen könne. In der Preisanpassungsklausel der swb wird nur pauschal auf Lohnkosten, Heizölpreise und Vorlieferanten-Preise verwiesen. Das reiche nicht aus, um den Anforderungen des Transparenzgebotes zu entsprechen.

Die swb hatte den Gaspreis in vier Stufen um insgesamt 1,54 Cent je Kilowattstunde auf 5,55 Cent angehoben. Gegen die Erhöhungen hatten in Bremen mehr als 10.000 Kunden Widerspruch eingelegt. Aus dem Unternehmen gab es unterschiedliche Angaben, ob im Falle des Falles alle Gaskunden oder nur die Kläger mit Rückerstattungen rechnen können. Bei 100.000 Kunden geht es für die swb um hohe zweistellige Millionenbeträge.

Die zum Teil sehr drastischen Anhebungen der Gaspreise, die die Energieversorger mit dem hohen Ölpreis begründeten, haben bundesweit eine Klagewelle und Zahlungsverweigerungen ausgelöst. Bereits im April hatte das Landgericht Hamburg nach einer Sammelklage von „Gas-Rebellen“ angekündigt, die gesamte Preisbildung des Energiehändlers Eon Hanse zu überprüfen. Das Landgericht Oldenburg hatte kürzlich der EWE AG untersagt, die Zahlung von Preiserhöhungen mit einer Liefersperre zu erzwingen. Das Landgericht Mönchengladbach verpflichtete die Niederrheinwerke im April, einen Kunden weiter mit Gas zu beliefern, obwohl dieser die Gasrechnung gekürzt hatte.

Auch die Bundesregierung hat inzwischen reagiert. Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett den Entwurf für ein Gesetz, das den Kunden den Wechsel des Gas- oder Stromlieferanten erleichtern und die Informationsrechte ausweiten soll. Bundestag und Bundesrat müssen der Verordnung noch zustimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen