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Schule steht Kopf wegen Kopftuchverbot

Vorige Woche verabschiedete Nordrhein-Westfalen ein Kopftuchverbot. Ein Düsseldorfer Gymnasium solidarisiert sich mit seiner kopftuchtragenden Lehrerin und kündigt Widerstand an. Das CDU-Schulministerium dagegen will durchgreifen

AUS DÜSSELDORF NATALIE WIESMANN

Wenn es sein muss, werden die 50 Lehrer und Lehrerinnen am Georg-Büchner-Gymnasium in Düsseldorf demnächst mit Kopftuch unterrichten. So wollen sie gegen das Kopftuchverbot protestieren, das der nordrhein-westfälische Landtag am vorigen Mittwoch verabschiedet hat.

Denn ihrer Meinung nach soll die einzige echte Trägerin unter ihnen das Stückchen Stoff aufbehalten dürfen. „Mich interessiert nur, was unter dem Kopftuch ist“, sagte Rektor Gunter Stauf gestern stellvertretend für sein Kollegium der taz. Für seine Einstellung ist er auch bereit eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu kassieren.

Die muslimische Lehrerin, die namentlich nicht genannt werden will, hatte bei ihrer Bewerbung vor anderthalb Jahren 30 KonkurrentInnen ausgestochen. „Sie hat uns alle im Vorstellungsgespräch sprachlos gemacht und ich bin sehr froh, dass wir uns für sie entschieden haben“, so Stauf. Dass zum Zeitpunkt der Einstellung der Deutsch- und Englischlehrerin bereits in Nordrhein-Westfalen über ein Kopftuchverbot debattiert wurde, hat er dabei bewusst ignoriert. „Wir wussten, was auf uns zukommt.“ Aber er sei nicht der „Handlanger des Landtags“ und nicht bereit, kampflos aufzugeben: „Ich will nicht auf die Lehrerin verzichten.“

Das Gesetz betrifft etwa 20 muslimische Pädagoginnen in NRW, die Hälfte davon sind Referendarinnen. Für Letztere gilt das Kopftuchverbot nicht, weil sie „Ausbildungsfreiheit“ genießen. Die anderen 10 Lehrerinnen, die angestellt oder verbeamtet sind, haben noch 14 Tage Ruhe – denn erst dann wird das Gesetz veröffentlicht und tritt in Kraft. „Dann muss die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde mit disziplinarischen Maßnahmen gegen Verstöße eingreifen“, sagt Andrej Priboschek, Sprecher des CDU-Schulministeriums, eindeutig. Die widerständigen Kopftuchträgerinnen müssten suspendiert werden.

Die Düsseldorfer Aufsichtsbehörde will aber noch nicht über konkrete Schritte sprechen. „Es kursieren verschiedene Interpretationen des Gesetzes“, so ein Sprecher. Die einen läsen darin ein generelles Kopftuchverbot. Andere deuteten das Gesetz so, dass das „Kopftuchtragen dann nicht erlaubt ist, wenn es den Schulfrieden stört“.

Tatsächlich taucht das Wort Kopftuch nicht einmal im Gesetzestext auf. Stattdessen heißt es da: „Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung […] und die freiheitliche Grundordnung auftritt.“ Ausgenommen werden davon christliche und abendländische Werte. Das umstrittene religiöse Symbol wird wohl erst in den Ausführungsbestimmungen beim Namen genannt werden.

Die muslimische Lehrerin, die als Beamtin auf Zeit eingestellt wurde, ist gerührt vom Rückhalt in ihrer Schule. Ob sie eine Suspendierung in Kauf nehmen wird, hat sie noch nicht entschieden. Unter anderen Umständen wäre sie sofort dazu bereit: „Wenn alle religiösen Symbole aus der Schule verbannt würden, hätte ich kein Problem damit“, erklärt sie.

So sieht das auch die LandesschülerInnenvertretung (LSV). Wenn das Tragen von Kruzifixen und Nonnenkutten in NRW weiterhin erlaubt sei, müsse dies auch für Kopftücher gelten. „Der LSV NRW spricht sich weiterhin gegen religiöse Symbole jeglicher Art in der Schule aus, akzeptiert jedoch nicht, dass dies nur für bestimmte Gruppen gilt“, heißt es in ihrer Resolution vom vergangenen Wochenende.

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