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Anonymus fördert Fabrik

Stadtteilkulturzentrum gründet Stiftung und Freundeskreis, um die Kinder- und Jugendarbeit zu stärken und von den stetig sinkenden öffentlichen Zuschüssen unabhängiger zu werden

von Petra Schellen

Die Idee zur Stiftungsgründung hatte er schon vor zwei Jahren, aber die Not war nicht groß genug: „Wir haben immer noch gehofft, dass uns die Kulturbehörde einen Erbbau-Vertrag für das Gebäude und eine deutlich niedrigere Miete zugestehen würde“, sagt Horst Dietrich, Gründer der Fabrik, die jetzt 35 wird. Inzwischen ist er klüger: Das weit über Hamburg hinaus bekannte Stadtteilkulturzentrum bekam zwar einen Vertrag für 30 Jahre, muss dafür aber seit Jahren stetig sinkende Zuschüsse verkraften.

Jetzt hat Dietrich die Konsequenzen gezogen: Mit 800.000 Euro hat ein anonymer Spender die frisch gegründete Fabrik-Stiftung ausgestattet. Genug, um nicht nur die bisherige Arbeit fortzusetzen, sondern auch das unter den permanenten Einnahme-Zwängen leidende Profil des Hauses zu schärfen: 80 Prozent ihres Budgets muss die Fabrik selbst erwirtschaften, „und da ist es klar, dass wir oft auf bekannte Namen setzen müssen, anstatt nachwachsende Bands zu unterstützen“, sagt Dietrich.

Solche Freiheiten sollen die Zinsen des Stiftungskapitals erweitern helfen. Zudem ist die Gründung eines Fabrik-Freundeskreises geplant: Ab 60 Euro jährlich soll jeder Privatier das Stadtteilkulturzentrum künftig unterstützen können. Vergünstigungen gibt es nicht – das Geld dient komplett dem Satzungszweck: Die Kinder- und Jugendarbeit will das Fabrik-Team ausbauen, Musik- und Theaterkurse anbieten und mit den umliegenden Schulen zusammenarbeiten, um Kinder aufzufangen, die keine Ganztagsschulen besuchen. Künstler, Musiker, Regisseure und Schauspieler sollen als Kursleiter gewonnen werden. Auch Theatergruppen will man einladen, in der Fabrik Stücke zu jugendnahen Themen zu proben; die Resultate werden auf einer kleinen Bühne präsentiert.

Die allerdings existiert so bisher noch nicht: Ein Anbau mit Werkräumen und einer multifunktionalen Bühne für 120 Zuschauer soll demnächst geplant werden; die hierfür nötigen eine Million Euro werden derzeit noch gesucht. Im übrigen ist Dietrich überzeugt, dass auch das erweiterte Programm funktionieren kann, ohne dem nahe gelegenen Stadtteilkulturzentrum „Motte“ Konkurrenz zu machen: „Der Bedarf an kinder- und jugendgerechten Angeboten ist riesig, und für viele Kinder ist die Fabrik mit ihren Hausaufgabenbetreuungs-, Mal- und Töpferkursen zum zweiten Zuhause geworden.“ Auch das Internet-Café soll sich künftig noch stärker an den Bedürfnissen Jugendlicher orientieren. Und vielleicht wird Dietrich auch das 1998 eingestellte Fabrik-Jazzfestival wieder aufleben lassen.

Eine Unabhängigkeit also, die das Haus noch stärker im Stadtteil verankern und unabhängiger von öffentlichen Zuschüssen machen soll: 20 Prozent des Budgets – 550.000 Euro – erhält die Fabrik derzeit von der Kulturbehörde. Ein Betrag, „auf den wir keinesfalls verzichten können“, betont Dietrich. Da mit weiteren Kürzungen aber stets zu rechnen ist, hat man sich für die Selbsthilfe entschieden. Denn von der strukturellen Wichtigkeit der Fabrik für den einstigen Problem-Stadtteil ist Dietrich so überzeugt wie am ersten Tag.

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