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Prinz William aus Pappe

ES LEBE DIE QUEEN Eigentlich ist Sandra Peters Bildhauerin. Jetzt betreibt sie in Hamburg einen britischen Laden, der auch das schottische Nationalgericht Haggis führt

VON ANDREA SCHARPEN

Ein Schwung kalter Luft strömt herein, als eine Kundin die rote Holztür öffnet und den kleinen Laden von Sandra Peters im Hamburger Stadtteil Ottensen betritt. Von außen rinnen Regentropfen die Schaufensterscheiben hinab. Das Licht der bauchigen Lampen in Teekannenform spiegelt sich darin.

Drinnen riecht es nach Zimt und Orangen. Aus einer Stereoanlage neben dem alten Ladentresen aus Holz und Glas erklingt leise Musik. Eine Fototapete zeigt ein englisches Schloss, davor steht eine Pappfigur von Prinz William und Herzogin Kate in Lebensgröße. Von der Decke hängen Wimpel mit dem Union Jack. Überall stehen und liegen englische Lebensmittel, Kleidungsstücke oder Parfüms in blumigen Flakons. Kein Möbelstück passt so recht zum anderen. „Der Stil ist von der Fernsehserie ‚Der Doktor und das liebe Vieh‘ inspiriert“, sagt Besitzerin Peters.

Ein Dreivierteljahr hat sie am Konzept für ihren British Department Store „Sweet Suburbia“ gefeilt, einen Businessplan aufgestellt, Kontakt zu Lieferanten in England aufgenommen und die individuellen Möbel auf Flohmärkten und in Antiquitätengeschäften in ganz Deutschland zusammengesucht. Im Sommer 2013 feierte der Laden 10-jähriges Jubiläum.

„Ich wollte ein Konzept, das zu mir und zu Hamburg passt“, sagt Peters, die eigentlich gelernte Steinbildhauerin ist. Als sie über eine berufliche Veränderung nachdachte, sei die Idee mit dem britischen Shop ganz logisch gewesen, sagt die 40-Jährige. „Damit kenne ich mich aus.“

Schon bei einer Sprachreise in der Schulzeit verguckte sich Peters in Land und Leute. Nur für das britische Essen konnte sich die damals 13-Jährige noch nicht erwärmen. „Ich und meine Freundin haben gelitten“, sagt Peters und lacht über die Erinnerung an sauer eingelegtes Gemüse auf den Schulbroten. „Das Essen war schon skurril.“ Dennoch zog es Peters in der elften Klasse erneut auf die Insel. „Ich bin dort in Hastings auf ein Internat gegangen“, sagt Peters. Nicht nur die Kultur, der Linksverkehr und die englischen Landschaften hätten sie fasziniert, auch die Supermärkte und die Verpackungen der Waren blieben ihr im Gedächtnis. „Die sind so farbenfroh und irgendwie altmodisch.“

Nach der Ausbildung zur Steinbildhauerin zog sie mit dem Gesellenbrief in der Tasche für drei Jahre auf Wanderschaft – auch durch England. Zwischen der Südküste und Schottland lernte sie die Facetten des Landes kennen. „Viele Deutsche verbinden mit England nur die typische Rosamunde-Pilcher-Romantik“, sagt Peters. Auch das Vorurteil von ungenießbarem britischem Essen halte sich in Deutschland. Dabei habe sie sich nach ihrem ersten England-Aufenthalt vom Gegenteil überzeugen können. „Backen können die Engländer ganz großartig!“, findet die Geschäftsfrau.

In ihrem Laden bietet sie deshalb diverse Gebäcksorten an, aber auch Cadbury-Schokolade, Marmeladen aus Yorkshire, Füllungen für den Weihnachtstruthahn oder speziellere Delikatessen wie das schottische Nationalgericht Haggis. Das besteht vornehmlich aus Innereien und stand zunächst nur als Deko im Schaufenster. „Dann gab es einen wahnsinnigen Run darauf, und jetzt sind die Haggis-Dosen im Sortiment.“

In den Regalen winken aber auch solarbetriebene Wackel-Queens, da liegen Pappgeschirr mit dem Union Jack und Spardosen in Telefonzellenform. Im hinteren Zimmer des Ladens stehen hohe Kleiderschränke. Die Wände zieren bunt gemusterte Tapeten, und in der winzigen abgeteilten Umkleidekabine steht ein alter Plüschsessel mit Blumenmuster. Kleidung von Fred Perry, Ben Sherman oder Dufflecoats von Gloverall hängen an den Kleiderstangen.

„Es ist keine Trendware, sondern eher Dauerbrenner“, sagt Peters, die momentan im Mutterschutz ist und deshalb selten im Laden steht. Vertreten wird sie durch ihre Mutter Margot Peters. Die 63-Jährige holt unter dem Tresen noch einen besonderen Klassiker hervor: Bunt gestreifte Corgi-Socken vom Hoflieferanten des englischen Königshauses aus Wales. „Die trägt auch Prinz Charles“, sagt die 63-Jährige. Die Kundschaft im Laden sei ein bunter Querschnitt der Gesellschaft. „Die Hamburger sind sehr anglophil“, findet Margot Peters. Viele führen gern im Urlaub nach Großbritannien, andere hätten einen persönlicheren Bezug zur Insel.

Kundin Kirsten Borchardt zum Beispiel sucht zwischen den Regalen ihre Lieblingsteesorte. „Ich war als Au-Pair in England und bin an der Sorte hängen geblieben“, sagt sie. Clemens aus Altona wiederum geht zielstrebig auf die Marmeladengläser zu. Er ist Stammkunde im britischen Shop. „Wegen der Orangenmarmelade mit Whisky“, sagt er. Auch er hat einen Bezug zum Land, sein Vater ist Engländer. „Hier im Laden finde ich Lebensmittel, die ich vermisst habe.“ So geht es auch Anne aus Australien. „Von meiner Mutter wurde das Britische immer sehr hochgehalten“, erzählt sie. Sie selbst komme einmal im Monat in den Laden – ebenfalls für ihren Lieblingstee. Meist wandere aber noch mehr in ihren Einkaufskorb. „Hier gibt es einfach so viele Sachen zu entdecken.“

Sweet Suburbia, Eulenstraße 49, 22765 Hamburg www.sweetsuburbia.de

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