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Länder geben beim Feinstaub keine Ruhe

An 28 Messstellen hat die Konzentration der gefährlichen Partikel in diesem Jahr schon das erlaubte Maß überschritten. Deshalb fordern die Länder jetzt – neue Grenzwerte. Die Bundesregierung lässt sich jedoch nicht beirren

VON BEATE WILLMS

Wenn wir die Grenzwerte beim Feinstaub nicht einhalten können, dann müssen sich eben die Grenzwerte ändern. Darauf setzen die Bundesländer Niedersachsen, Thüringen und Berlin. Sie fordern, dass die Bundesregierung in den europäischen Gremien vorstellig wird. Dort soll sie sich dafür einsetzen, die Tagesmittelwerte zu kippen und die Belastung durch die gesundheitsschädlichen Partikel ausschließlich an Jahresmittelwerten festzumachen. Andere Länder schlossen sich gestern an.

Nicht nur die Umweltverbände reagierten allerdings genervt. Auch beim Bundesumweltministerium war klar: Auf die Unterstützung von Minister Sigmar Gabriel (SPD) können die Länder nicht rechnen. „Wir sehen überhaupt keinen Bedarf, die Grenzwerte zu verwässern“, sagte Sprecher Thomas Hagbeck der taz.

Feinstaub besteht aus Partikeln (PM10), die kleiner als 10 Mikrometer sind, das Herzkreislauf- und das zentrale Nervensystem des Menschen schädigen und zu Lungenkrebs führen können. Seit Januar 2005 gelten deshalb EU-weit Grenzwerte. Im Jahresmittel darf die Feinstaubkonzentration 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht übersteigen. Liegt sie an mehr als 35 Tagen über 50 Mikrogramm, sind die Behörden angehalten, Sofortmaßnahmen wie Fahrverbote einzuleiten. In Berlin und Niedersachsen gilt das in diesem Jahr bereits für je vier Messstationen, in Thüringen sind zwei kurz vor dem Limit.

Deshalb agitieren die Länder vor allem gegen den Tagesmittelwert. „Wir können die kurzfristigen Spitzen nicht wirklich bekämpfen“, sagte Manuela Damianakis, Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der taz. Also konzentriere man sich lieber darauf, die Langzeitbelastung zu verringern. „Wir schlagen vor, die Kurzzeitgrenzwerte abzuschaffen und dafür den Jahresmittelwert auf 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft abzusenken.“ Diese Idee unterstützte gestern auch Bernhard Remde, Abteilungsleiter für technischen Umweltschutz im Brandenburger Umweltministerium. Die Erfahrung zeige, dass man bei 35 oder weniger Überschreitungen der Tagesgrenzwerte auf ein Jahresmittel von 32, 33 Mikrogramm komme. „Wenn wir 30 als neuen Langzeitgrenzwert nehmen, haben wir genug zu tun“, sagte Remde.

Werner Reh, Feinstaubexperte beim BUND, findet die Idee nicht vollständig absurd. Tatsächlich hätten die Überschreitungen der Tagesgrenzwerte bei den Kommunen zuletzt oft nur „hektischen Aktionismus“ ausgelöst. Die Folge seien so „unsinnige Lösungen wie Straßenspülungen“ gewesen. Trotzdem hält er „den Vorschlag für verlogen“. Der vorgeschlagene Jahresmittelwert sei viel zu hoch. Reh wirft den Ländern vor, die Feinstaubbekämpfung nur weiter zu verzögern.

BMU-Sprecher Hagbeck sieht das ähnlich. Er warf den Ländern vor, dass sie sich schließlich auch gegen den Vorstoß der Bundesregierung zur steuerlichen Förderung von Dieselrußfiltern positioniert hätten.

Ein weiteres Argument dafür, die doppelte Kontrolle durch Kurz- und Langzeitmittelwerte beizubehalten, liefert die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie hat ihre Luftqualitätsrichtlinien kürzlich noch einmal überarbeitet. Schon Konzentrationen von 20 Mikrogramm PM10 pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel verursachten gesundheitliche Schäden, heißt es dort. Und: Kurzzeitige Spitzenbelastungen könnten zu zusätzlichen Erkrankungen führen, weil sie vor allem das Herz-Kreislauf-System sehr belasten. Die WHO empfiehlt deshalb Grenzwerte von 20 Mikrogramm im Jahresmittel und 50 Mikrogramm binnen 24 Stunden – und das an nicht mehr als drei Tagen im Jahr.

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