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Die Fronten haben sich wieder verhärtet

THAILAND Erneut gehen in Bangkok Zehntausende Menschen gegen die Regierung auf die Straßen. Kurz zuvor hat die größte Oppositionspartei angekündigt, die Wahlen Anfang Februar zu boykottieren

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

An der Geschäftsmeile Silom Road geht am Sonntag nichts mehr: Wie an fünfzehn Standorten quer über Bangkok verteilt, haben sich auch hier Tausende Demonstranten versammelt. Der ohrenbetäubende Lärm der Trillerpfeifen will nicht verstummen, ebenso wenig wie die Rufe der Protestler nach dem sofortigen Rücktritt von Premierministerin Yingluck Shinawatra: „Eine Mehrheit im Parlament bedeutet nicht, dass man machen kann, was man will!“, so ihr Slogan. Einige Demonstranten hatten sich auch vor dem Wohnsitz Yinglucks versammelt. Allerdings war die Premierministerin nicht in Bangkok, sondern besuchte ihre Hochburgen im Nordosten.

Seit Wochen schon halten die Proteste an. Da half es nichts, dass Yingluck am 9. Dezember das Parlament auflöste und Neuwahlen ankündigte. Im Gegenteil: Die Krise droht sich zu verschärfen. Inzwischen hat die oppositionelle Demokratische Partei (DP) angekündigt, sie werde die vorgezogenen Wahlen am 2. Februar boykottieren. „In den vergangenen acht bis neun Jahren haben die Menschen ihr Vertrauen in das politische System Thailands verloren“, so DP-Parteichef Abhisit Vejjajiva. Wahlen seien keine Lösung, weil sie nicht zu Reformen führten.

Kritiker erklärten, diese Argumente seien nur vorgeschoben. Es komme Thailands größter Oppositionspartei, die mit ihrer Haltung demokratische Prinzipien verrate, vielmehr darauf an, durch den Wahlboykott absichtlich eine neue Staatskrise zu provozieren. Schon 2006 hatte die Demokratische Partei einen Boykott initiiert, der letztlich mit zum Militärputsch gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra führte – den Bruder Yinglucks.

Zudem hat die DP, die seit 1992 keine Wahlen mehr gewonnen hat und bei den Straßenprotesten massiv mitmischt, gezeigt, dass sie nicht einmal zu innerparteilichen Reformen fähig ist: Bei den jüngsten Wahlen des Parteivorstands war ein führendes Mitglied, das eine neue Ausrichtung und politische Programmatik angemahnt hatte, kaltgestellt worden. Gleichzeitig wurde Abhisit Vejjajiva, der Mordanklagen am Hals hat, als Oppositionsführer bestätigt. Hintergrund der Anschuldigungen ist das gewaltsame Vorgehen der Armee im Frühjahr 2010 gegen die damals protestierenden „Rothemden“, die Anhänger Yinglucks sowie Thaksin sind. Die damalige Regierung unter Abhisit hatte schließlich die Niederschlagung der Proteste angeordnet.

Auch der Wortführer der jetzigen Proteste, der ebenfalls wegen Mordes angeklagte Suthep Thaugsuban und 2010 Abhisits Vize, erklärte wiederholt, er sei weder an einer Auflösung des Parlaments noch an Neuwahlen interessiert. Zudem lehnen Suthep und seine Unterstützer den Vorschlag Yinglucks ab, Reformen nach den Wahlen einzuführen. Anstelle der jetzigen Regierung wollen sie einen nicht gewählten „Volksrat“ einsetzen. Bei ihren Versuchen, die mächtige Armee auf ihre Seite zu ziehen, hatte die Protestbewegung bislang jedoch das Nachsehen.

Ob es zu einem neuen Putsch kommt, bleibt unklar. Denn der Riss, der durch die Gesellschaft geht, macht auch vor den Streitkräften nicht halt: So hatten bei den Wahlen 2011 ganze Einheiten für Yingluck gestimmt. Allerdings, so wird gemunkelt, sei die Armee dafür, die für Februar geplante Abstimmung zu verschieben. Angesichts wachsender Spannungen warnte Armeechef Prayuth Chan-ocha vor einem Bürgerkrieg. Gleichzeitig brachte er einen eigenen, nicht näher definierten Vorschlag für eine „Volksversammlung“ ins Spiel. Diese solle aus „neutralen Vertretern aller Lager“ bestehen, die vom jeweiligen politischen Gegner akzeptiert würden.

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