piwik no script img

Zurück nach vorne

Das Großbürgertum ist in diesen Tagen wieder schwer im Kommen. Wo es seine Wurzeln hat, das lässt sich exemplarisch in einer Ausstellung über den Hamburger Architekten Franz Gustav Forsmann erfahren. Der nämlich prägte, was heute als hanseatisches Grundvokabular gilt

Heftig debattiert wird in den Feuilletons derzeit das Phänomen „Bürgerlichkeit“: Familiensinn und feste Bindungen, Tradition und Schöner Wohnen, das alles schreckt nicht mehr, sondern verlockt. Ähnlich geändert hatte sich kurz zuvor das Verhältnis zu Eliten. Lange kritisch beäugt – vor dem Hintergrund ihres Versagens im Dritten Reich –, hat man sich in letzter Zeit verstärkt zu ihnen bekannt. Bürger und Elite, was damit auf uns zukommt heißt kurz: „Neues Großbürgertum“. Wer wissen will, wo dieses noch im Wachsen begriffene Wesen seine Wurzeln hat, sollte sich am besten das alte Großbürgertum anschauen.

Ein Symbol für die Kultur des Großbürgertums ist das Hamburger Jenisch Haus. Bei dessen Beschreibung greift man wie von selbst auf das Grundvokabular des Hanseaten zurück: Gediegen, kühl und zurückhaltend, vornehm und elegant, mit einem Hauch von Pracht. Ein klassizistisches Kleinod, streng gegliedert, mit einer strahlend weißen Fassade, steht es auf der Anhöhe des Jenischparks über der Elbe im Hamburger Westen.

Erbaut hat es von 1831 bis 1834 Franz Gustav Forsmann (1795-1878) als Sommersitz für den Kaufmann und Senator Martin Johan Jenisch. Jetzt ist in dem Haus, das mittlerweile von „Museum großbürgerlicher Wohnkultur“ umbenannt wurde in „Museum für Kunst und Kultur an der Elbe“, die erste Ausstellung zu sehen, die den Hamburger Architekten ehrt.

Zwar ist Forsmanns Werk äußerst vielfältig, als Architekt an der Hamburger Baubehörde und Stadtbaumeister entwarf er mehrere Schulen, ein Markthalle, Polizeigebäude, Armenhäuser. Bekannt aber ist er für den Hochglanz-Klassizismus seiner großbürgerlichen Bauten: Die Villen entlang der Elbchaussee, der heutige Überseeclub an der Binnenalster und die Börse am Adolphsplatz.

Auf diese Aushängeschilder konzentriert sich auch die Ausstellung und zeigt zunächst anhand von Bauplänen, wie die Räume ursprünglich aussahen. Mit auf den Fußböden verzeichneten Originalgrundrissen, Papierwänden und Installationen wird versucht, ein Gefühl für die damalige Wohnkultur zu vermitteln.

Die Mitte des Hauses bildete das Vestibül. Um die Treppenhalle herum und von ihr zugänglich lagen die repräsentativen Räume – Billardzimmer, Salons, Speise- und Gartensaal –, die durch Flügeltüren miteinander verbunden waren. Im Obergeschoss lief ein Korridor um die Treppe, von dem man die Zimmer des Ehepaars Jenisch und ihrer Kammerjungfrau nebst einigen Gästezimmern erreichen konnte. Kinder waren im Haus nicht vorgesehen. Die Dienerschaft bezog auf dem Dachboden Quartier, verfügte aber daneben über einen eigenen Treppenschacht, durch den sie sich im Haus bewegten: So gern man seine Diener um sich weiß, so ungern sieht man sie.

Auf der Dieneretage werden Bilder und Skizzen der anderen erhaltenen Bauten gezeigt, die Forsmann für die Hamburger Kaufmannschaft errichtet hat. Die Bilder einer schönen, reinen, klaren Welt wiederholen sich dabei so oft, dass man schließlich nach den Schattenseiten sucht: Die strahlend weiße Fassade –, eine weiße Weste, die vergessen lassen will, das die Gelder aus den Kolonien gepresst wurde; die strenge Geometrie – ein Versprechen, dass der Handel berechenbar ist, und wer rechnen kann, gewinnt; die vergoldeten Gusseisengitter –, eine Demonstration, dass man‘s hat: Macht und Geld ohne Ende. Gut also, dass diese Häuser nicht in Vergessenheit geraten. Denn sie sind zukunftsweisend.

Maximilian Probst

bis 29. Oktober im Jenisch-Haus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen