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WM-Wetten boomen

Private Wettanbieter locken viele neue Kunden. Suchtforscher kritisiert „aggressive Werbestrategie“

BERLIN taz ■ Wer schießt das Siegestor? Welcher Torwart macht den ersten Abstoß? – Zur WM boomt das Geschäft mit der Sportwette. „Wir rechnen mit spürbaren Zuwächsen“, sagt Jan Wabst, Sprecher von Sportwetten Gera. Vor allem über das Internet hätten schon sehr viele Menschen mitgewettet. Auch das Glücksspielunternehmen Betandwin erwartet laut Spiegel 100.000 neue Kunden und hat seine Werbeausgaben in diesem Jahr auf 56 Millionen Euro mehr als verdoppelt. „Wir setzen aber auf Entertainment und nicht auf Zockerei“, erklärt Betandwin-Sprecher Hartmut Schultz. Der durchschnittliche Einsatz betrage nur sechs Euro. „WM-Wetten sollen vor allem unterhalten, genauso wie eine Tippgemeinschaft oder eine Wette um eine Kiste Bier.“

Suchtexperten sehen das weniger locker. „Die Werbestrategie von Betandwin ist sehr aggressiv“, sagt der Bremer Spielsuchtforscher Gerhard Meyer. Nicht nur vor und nach den Fußballspielen werden Zuschauer mit Fernsehspots bombadiert. Betandwin locke auch neue Kunden, indem das Unternehmen etwa ihren Ersteinsatz verdoppele. „Von Spielsuchtprävention keine Spur“, so Meyer.

Dagegen hat der staatliche Wettanbieter Oddset seine Werbung zur WM massiv zurückgefahren. Der Grund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März. Demnach ist das staatliche Monopol auf Sportwetten zulässig, aber nur, wenn es auch der Suchtbekämpfung dient. Andernfalls verliert Oddset sein Monopol. Deswegen hat der WM-Sponsor zum Beispiel auf seine Bandenwerbung während des Spektakels verzichtet. Die reservierten Flächen hat Oddset kostenlos den SOS-Kinderdörfern zur Verfügung gestellt. Inwieweit sich die fehlende Werbung auf die Wettbeteiligung ausgewirkt hat, konnte beim Wettanbieter gestern niemand sagen. Oddset rechnet aber fest damit, sein Monopol auch in Zukunft zu behalten.

Ob dem so ist, bleibt abzuwarten. Bis Ende 2007 soll der Sportwetten-Sektor neu geordnet werden. Betandwin und Sportwetten Gera profitieren neben zwei weiteren privaten Anbietern von alten DDR-Lizenzen, die das Oddset-Monopol unterlaufen. Außer den lizensierten Anbietern gibt es aber noch zahlreiche private Wettvermittler, die ihrem Geschäft derzeit ohne Genehmigung nachgehen. Für sie hat sich die Hoffnung auf einen geöffneten Markt mit dem Urteil der Karlsruher Richter vorerst zerschlagen. „Am WM-Geschäft verdienen aber viele momentan noch mit“, sagt Markus Maul, Präsident des Verbands Europäischer Wettanbieter (VEWU). Mehrere Bundesländer hätten seit dem Urteilsspruch mit der Schließung privater Wettbüros begonnen. Die Buchmacher klagen dagegen. Wegweisende Urteile stünden aber noch aus, so Maul.

Die Länder bekämpfen die privaten Wettanbieter aber nicht nur, um ihre Bürger vor Spielsucht zu schützen, sondern auch, weil sie am Staatsmonopol kräftig mitverdienen: Jedes Jahr fließen etwa fünf Milliarden Euro an Steuern, Abgaben und Gewinnausschüttungen in ihre Kassen.

GESA SCHÖLGENS

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