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Swinging Sophiatown

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Die Begegnung mit seiner neuen Heimat Südafrika fühlte sich für Jürgen Schadeberg an, als sei er vom „Regen in die Traufe“ gekommen. „Der erste Mensch, den ich traf, war von Nazi-Ideologie und Rassismus geprägt und dachte, ich müsste als Deutscher gleicher Meinung sein: deprimierend“, erinnert sich Schadeberg heute, 56 Jahre nach seiner Ankunft in Kapstadt, im damaligen Apartheid-Südafrika. Gerade mal 19 war der Fotograf 1950, als er vom Schiff stieg, geprägt von einer Kindheit in Thüringen und während der Kriegsjahre vom Berliner Künstlermilieu. Er ging nach Johannesburg, der wachsenden Goldminenstadt Afrikas, und begann eine Karriere, die ihn bald international berühmt machte.

„Niemand kannte Leica-Fotografie, und Fotojournalismus gab es nicht“, sagt Schadeberg, der in Hamburg bei der Deutschen Presseagentur als Volontär gearbeitet hatte. Schadeberg landete beim Fotomagazin Drum. Talentierte schwarze Autoren veröffentlichten darin ihre Texte. Auf den Titelseiten prangten oft die Aufdeckungsgeschichten des jungen Henry Nxumalo über Misshandlungen von Schwarzen auf Farmen und in Gefängnissen. Schadeberg lieferte die Fotos. Drum – einst berühmt für Pin-up-Bilder schwarzer Models – entwickelte sich zu einer respektierten Anti-Apartheid-Stimme. „Die gesellschaftliche Ungleichheit und Unterdrückung war abstoßend“, sagt Schadeberg, der sich in dieser Zeit von vielen weißen Freunden verabschiedete und von der Polizei häufig mit Drohungen und Verhaftung belästigt wurde.

Das legendäre Viertel Sophiatown, in dem alle ethnischen Gruppen außer den Weißen eng zusammenlebten, war damals das kulturelle Herz Südafrikas und hieß „das Harlem Johannesburgs“ – allerdings nur bis 1955. Im Februar dieses Jahres räumte die weiße Minderheiten-Regierung gewaltsam das gemischte Wohnviertel, ließ Häuser niederwalzte und die Bewohner in Schwarzensiedlungen außerhalb der Stadt verfrachtete. Außerdem bekam das Viertel einen neuen Namen: „Triomph“ (Triumph).

Viele eindrucksvolle Fotos von Jürgen Schadeberg entstanden in Sophiatown, in dem die Jazz-Szene blühte. Musiker wie Hugh Masekela, Sängerinnen wie Miriam Makeba, Dolly Rathebe und Thandi Klaasen starteten dort ihre Karrieren. Bands wie die „Harlem Swingsters“ und die „Manhattan Brothers“ nahmen den Einfluss der „Swinging Fifties“ auf und mischten den Sound mit Marabi- und Kwela-Musik. Nelson Mandela unternahm dort seine ersten politischen Schritte. AktivistInnen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) lebten Tür an Tür mit Gangstern; Banden regierten das ärmliche Viertel und lieferten sich Kämpfe – oft ging es um Frauen. „Es war ein pulsierendes, aber raues Viertel“, sagt der 75-Jährige. Es wurde zum Symbol für vereinigte Vielfalt in einer immer schärfer rassistisch getrennten Gesellschaft.

Schadeberg selbst verließ nach zunehmendem politischem Druck 1964 Südafrika Richtung London und kehrte erst zwanzig Jahre später zurück. Er ist politischer Fotograf geblieben. Seine Themen heute sind die Aidskrise im Land und die Probleme der Landumverteilung an Schwarze.

Die Ausstellung „The Black Fifties in South Africa. Fotografien von Jürgen Schadeberg“ wurde eben eröffnet und läuft noch bis 21. Juli im EADS Atrium, Potsdamer Platz, Berlin. Ab 7. Juli ist der Film „Drum“, die Geschichte von Henry Nxumalo, auf DVD erhältlich

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