piwik no script img

Oslo am Telefon

David Montgomery kauft jetzt auch den skandinavischen Presse-Konzern Orkla. Engagement bei „Berliner Zeitung“ spielt nur noch zweite Geige

Aus Stockholm und Berlin R. WOLFF und S. GRIMBERG

David Montgomery, Herr über Berliner Zeitung und Hamburger Morgenpost, wird über seine Mecom-Investitionsgesellschaft auch den norwegischen Medienkonzern Orkla-Media schlucken. Vermutlicher Kaufpreis: 900 Millionen Euro. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde am Mittwoch in Oslo unterzeichnet. Wird der Vertrag wie geplant Mitte Juli perfekt, werden über 7.000 Beschäftigte in sechs Ländern betroffen sein.

Kjetil Haanes, Belegschaftsvertreter im Orkla-Aufsichtsrat, bezeichnete den Einfall der vermeintlichen„Heuschrecke“ Montgomery als „schwärzesten Tag in der norwegischen Pressegeschichte“. Für die Regierung in Oslo bewertete Kultusminister Trond Giske den Deal als „enttäuschend“: „Letztendlich zählt offenbar nur das Geld.“

Orkla-Media ist hinter Schibsted der zweitgrößte norwegische und fünftgrößte skandinavische Medienkonzern. Er hat europaweit über 7.000 Beschäftigte und machte im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von 1,25 Milliarden einen Gewinn von 60 Millionen Euro. In Norwegen und Schweden gehören ihm 32 Lokalzeitungen, verschiedene Druckereien sowie mehrere lokale Fernseh- und Radiosender. In Polen ist Orkla-Media die Nummer zwei auf dem Zeitungsmarkt mit einer Beteiligung an 13 Zeitungen, die eine Gesamtauflage von 560.000 Exemplaren haben. Fast die Hälfte des Umsatzes macht der Konzern in Dänemark, wo man sich vor sechs Jahren das traditionsreiche Berlingske Hus einverleibt hatte. Daneben ist Orkla in Lettland und der Ukraine aktiv.

In Deutschland gehört www.netzeitung.de zum Konzern. Diese Online-Zeitung soll aber ebenso wie Teile des norwegischen Orkla-Zeitschriftengeschäfts nicht in den Kauf an Mecom eingehen. Eines der dann wohl bald zu Montgomerys Holding gehörenden Blätter, die angesehene Kopenhagener Berlingske Tidende, präsentierte am Donnerstag ihren LeserInnen den künftigen Besitzer als „inkompetent“, „brutal“ und mit „alles andere als gutem Ruf“.

Das kennt man auch aus Deutschland, wo die im vergangenen Herbst von Montgomery übernommene Berliner Verlagsgruppe sich weiter gegen den neuen Eigentümer wehrt. Uwe Vorkötter, Chefredakteur der Berliner Zeitung, wechselte wegen unterschiedlicher Auffassungen über den künftigen Kurs zur Frankfurter Rundschau. Eine erste, allerdings noch sehr milde Entlassungsrunde wurde vergangene Woche in Berlin verkündet (taz vom 22. 6.)

In Deutschland werden vor allem Montgomerys überzogene, am britischen Zeitungsmarkt orientierte Renditeerwartungen von über 20 Prozent als Bedrohung verstanden. Denn sowohl in Hamburg wie in Berlin gibt es harte Konkurrenz – und wird mit Zeitungen eher wenig Geld verdient. Montgomerys ursprünglicher Plan, sich in Deutschland gleich eine ganze Kette von Regionalzeitungen zuzulegen, scheiterte bislang zudem an der Verkaufsunwilligkeit der deutschen Verleger.

„Er hat keine wesentlich anderen Ambitionen auf der Effektivierungsseite, als wir hatten“, sagt dagegen Orkla-Konzernchef Dag J. Opedal über David Montgomery. Er und die betroffenen Verlagen versuchen den neuen Deal zu entdramatisieren. Orkla-Media werde wenn auch mit anderen Eigentumsverhältnissen weiterleben, so Opedal. Der Konzern soll formal Teil einer neu zu gründenden „Mecom Europe“-Gesellschaft werden, mit Sitz in Oslo und notiert an der Londoner Börse. An Mecon Europe soll Orkla dann selbst 10 bis 20 Prozent der Anteile halten. Schon der Name lässt vermuten, dass auch die deutschen und holländischen Medienaktivitäten Montgomerys und seiner Mecom unter diesem Dach landen werden.

Das aber heißt: Während bislang das Deutschland-Engagement und der geplante Verbund von Berliner und Hamburger Zeitungsgeschäft im Mecom-Alltag Priorität genossen, stehen jetzt die deutlich größeren Projekte in Skandinavien und Osteuropa im Mittelpunkt. Die wesentlichen Entscheidungen zur Zukunft der Berliner Zeitung, deren Boulevard-Schwesterblatt Kurier oder des Hamburger Abendblatts dürften so demnächst eher beiläufig im Flieger zwischen London, Warschau und Oslo fallen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen