: Verkehrschaos als politische Vendetta in New Jersey
USA Der republikanische Gouverneur Chris Christie hat jetzt einen handfesten Skandal am Hals
ANNE KELLY, VIZEBÜROCHEFIN
BERLIN taz | Bis vor zwei Tagen wurde New Jerseys republikanischer Gouverneur Chris Christie noch als aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2016 gehandelt. Der dicke Politiker galt zwar als harsch in der Ausdrucksweise, aber auch als pragmatisch und gegebenenfalls in der Lage, mit der politischen Gegenseite zu kooperieren. Nach dem Sturm „Sandy“ kurz vor den Wahlen 2012 hatte er das zusammen mit US-Präsident Barack Obama öffentlichkeitswirksam unter Beweis gestellt.
Es ist ein Narrenstück wie aus „Don Camillo und Peppone“, was Christies politischen Ambitionen ein jähes Ende bescheren könnte. Im August 2013 hatte sich der Bürgermeister von Fort Lee, einem kleinen Vorort von New York, direkt auf der anderen Seite des Hudson Rivers gegenüber von Manhattan gelegen, geweigert, Christies Wiederwahl im November zu unterstützen. Der Demokrat hielt es mit der Herausforderin, seiner Parteifreundin Barbara Buono.
Ein paar Wochen später, Anfang September, ersoff Fort Lee plötzlich im Stau. Der Grund: zwei der drei Spuren, die von Fort Lee auf die George-Washington-Bridge nach New York führen, waren plötzlich gesperrt. Schulbusse steckten über Stunden fest, Krankenwagen erreichten ihr Ziel nicht. Vier Tage lang verwandelte sich Fort Lee in einen einzigen großen Parkplatz – nichts ging mehr.
Was manche vermutet hatten und kaum jemand glauben konnte, ist jetzt amtlich: Die Sperrung war eine Racheaktion gegen Fort Lee, angeleitet aus dem Büro Christie. „Zeit für ein paar Verkehrsprobleme in Fort Lee“, hatte Anne Kelly, eine stellvertretende Büroleiterin Christies, an David Wildstein geschrieben. Das ist ein Schulfreund Christies, dem der Gouverneur einen Job bei der Hafenbehörde verschafft hatte, die für die Brücke zuständig ist. „Got it“, mailte Wildstein zurück. Drei Wochen später war die Brücke dicht.
Der Bürgermeister von Fort Lee wandte sich mit der Bitte um Hilfe an die Hafenbehörde – ohne Erfolg. Stattdessen kommentierten Wildstein und Kelly in ihren Mails mit Häme: Es seien „die Kinder von Buono-Wählern“, die da in den Schulbussen feststeckten, feixten sie.
Erst als die New Yorker Seite schließlich die Spuren freiräumte, normalisierte sich die Lage wieder, aber die Spekulationen darüber, was da eigentlich passiert war, blieben. Die Behörden redeten sich mit einer „Verkehrsstudie“ heraus, allerdings sei einiges schiefgelaufen. Das sei Schuld der Hafenbehörde.
Erste Entlassungen folgten, Wildstein und ein weiterer Mitarbeiter der Hafenbehörde mussten gehen, aber die Marschrichtung blieb: Keine politische Aktion, alles nur bedauerliche Fehler, natürlich habe weder der Gouverneur noch seine Mitarbeiter irgendetwas davon gewusst. Als jetzt die E-Mails herauskamen, sagte Christie öffentliche Termine ab. Acht Stunden lang kam keine Reaktion des schlagfertigen Republikaners, erst am Nachmittag eine schriftliche Erklärung, die für Kelly das Aus bedeuten dürfte: „Ich bin traurig, dass eine Mitarbeiterin mich so getäuscht und dieses inakzeptable Vorgehen ohne mein Wissen autorisiert hat.“
An diesem Donnerstag – nach taz-Redaktionsschluss – wollte Chris Christie bei einer Pressekonferenz Stellung nehmen.
BERND PICKERT
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