: „Das mit dem Abseits hast du jetzt nicht wirklich gefragt, oder?“
PARTNER-VIEWING Mann und Frau beim gemeinsamen Fußballgucken. Und eine Unterhaltung, wie sie in diesen Tagen tausendfach stattfinden könnte
Er: Das war knapp, der ist dem Torwart arg nah gekommen. Im Fünf-Meter Raum darf der Torwart nicht angegriffen werden.
Sie: Ja, ich weiß.
Ach ja? Dann weißt du bestimmt auch, was Abseits ist, oder?
Das mit dem Abseits hast du jetzt nicht wirklich gefragt, oder doch?
Höhöhö.
Oh Mann, ich hol mir ’n Bier.
Bring mir eins mit.
Aber sicher, Schatz.
Nu mal nich gleich beleidigt sein.
Hmpf.
Du hast gerade etwas verpasst. Diese Ballannahme … obwohl …
Was heißt das denn jetzt? Willst du nicht mehr über Fußball reden?
Ja, doch. Aber bevor man darüber redet, muss man auch mal hinsehen. 90 Minuten ein Spiel verfolgen, ohne ständig zu labern.
Stör ich? Du wolltest doch unbedingt, dass wir zusammen viele Spiele sehen.
Schon. Aber mir gehen diese Leute auf die Nerven, die alle vier Jahre für vier Wochen zu Fußballfans werden.
Aber Public Viewing mit tausenden Leuten findest du auch gut.
Ja, klar, aber es nervt trotzdem, dass die Leute alle auf einen Zug aufspringen, von dem sie gar nicht wissen, wo er hinfährt.
Jetzt wirst du zum Schrebergartenwächter. Ist ja nicht so, dass du der Fußballexperte bist, nur weil du ab und an die Bundesliga verfolgst. Sich von einem Turnier mitreißen zu lassen, das nun mal nur alle vier Jahre stattfindet, ist doch völlig in Ordnung.
Ja, aber wenn man dann wieder Abseits erklären und sich über das Aussehen der Spieler unterhalten muss …
Sag’s doch: Dich stören die Frauen.
Quatsch. Mich stören nur die Event-Fans, die für Schland jubeln, sich aber nicht für Fußball interessieren. Und ob’s dir passt oder nicht – die meisten davon sind Frauen. Ist nun mal so.
Auf welchem 80er-Trip bist du denn … was denn, was denn, wieso pfeift der jetzt ab?
Stürmerfoul. Der darf im Fünf-Meter-Raum nicht so gegen den Torwart … sag mal, hörst du mir überhaupt zu?
Jaja, schon gut. Bevor du dich wieder aufspielst: Um das Faszinierende am Fußball zu erkennen, muss ich nicht wissen, was in Paragraf 8, Absatz 9 der Eckenverordnung steht. Ich bin doch kein Nerd.
Oh, da hab ich mich aber getäuscht.
Genau wegen diesem Mackergehabe war Fußball so lange Männerdomäne. Und das weicht erst langsam auf. Und dass Frauenfußball langweilig ist, dürfte keiner mehr behaupten.
War nicht so gemeint. Aber du hast die Frauen-Championsleague auch nur mitgekriegt, weil das kurz vor der WM war.
Mag ja sein, aber das ändert nichts daran, dass es guter Fußball war. Im Gegensatz zur Berichterstattung: Die Turbienen auf Hochtour oder so. Bienen – da wird mir schlecht.
Ach, aber über enge Männertrikots darf man reden?
Tja. Außerdem: Das ist was anderes. Die Turbinefrauen gelten nur als Bienchen, das steht über ihren fußballerischen Leistungen. Und dieses Rest-Unbehagen beim Thema Frauen und Fußball hast du ganz offensichtlich auch.
Mich nervt halt der Hype.
Das glaube ich dir einfach nicht. Du willst doch auch feiern. Und nicht immer allein, sondern mit Freunden.
Nur mit welchen, die Ahnung haben. Interessiert dich jetzt das Spiel oder nicht?
Ich lasse mich gern mitreißen und mich interessiert der Sportsgeist, die Emotionen der Spieler, das Gebaren auf dem Platz. Ich finde es spannend zu sehen, wie sich Männer aufführen können. So viele echte Emotionen sieht man sonst selten: Wenn sie sich auf die Schultern hauen, anschreien oder trösten – da kann man schöne Sozialstudien betreiben.
Oh Mann, warum schießt der denn nicht, dieser Trottel!
Is noch Wurst im Kühlschrank?
Hä?
Ach nix. FRAUKE BÖGER, DENIZ YÜCEL
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