Patriotismus: Schwarz-rot-goldene Integration
Mehr Goethe und Schiller und mehr „Einigkeit und Recht und Freiheit“ in der Schule, eine schwarz-rot-goldene Flagge für jede Kindertagesstätte und jede Moschee – bei den Forderungen die nun aus der türkischstämmigen CDU kommen, kann es Anti-Nationalisten ganz schön Angst und Bange werden. Aber halt: Auch wenn es so klingt, als ob das Deutsch-Türkische Forum in der CDU die deutschstämmigen Parteikollegen rechts überholen will – ihr Neopatriotismus ist harmloser, ihre nationale Symbolik ist produktiver. Denn sie wollen ja türkischstämmig sein und deutsch, muslimisch und deutsch. Oder auch: einfach nur Kemal aus Castrop-Rauxel.
KOMMENTAR VONNATALIE WIESMANN
Eigentlich ist es schon schizophren: In den Monaten vor der WM dominierten Einbürgerungstests und Sprachförderung die Integrationsdebatte. Einwanderern wurde suggeriert, sie könnten „nicht einfach mal so eben“ Deutsche werden, sie müssten sich das schon hart erarbeiten. Jetzt haben es sich die Zugewanderten verblüffend leicht gemacht. Sie haben einfach jede Menge deutsche Fahnen gehisst, sogar die deutsche Nationalhymne mitgesungen. Phänomene, so ungewöhnlich, dass sie nicht damit abzutun sind, dass die Türkei nicht mitspiele und alles nach der Weltmeisterschaft sowieso wieder vorbei sei.
Die Türkischsstämmigen in Schwarz-Rot-Gold sind auch eine große Chance für die Entwicklung hin zu einem „lässigen“ Patriotismus. Und den können rechte und linke Skeptiker ohnehin nicht mehr verhindern, noch aufhalten. Vor allem bei den jüngeren Generationen ist er offenbar schon längst vorhanden. Es ist auch für Christunionisten schlicht und einfach schon deshalb besser, nun auch die Kinder nichtdeutscher Herkunft bei dieser Entwicklung mitzunehmen – denn in nicht allzu langer Zeit werden sie genauso viele sein wie die deutschstämmigen Deutschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen